Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Anstieg der Verfahren zu Straftaten gegen Einsatzkräfte

Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck: „Angriffe auf Einsatzkräfte sind unerträglich. Der Rechtsstaat muss in diesen Fällen konsequent reagieren und alle verfügbaren Mittel ausschöpfen sowie klare Kante zeigen.“

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Hessens Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck führt auch in diesem Jahr seine Behördenbesuche fort. Der Minister hat am Montag die Staatsanwaltschaft Darmstadt besucht, um sich mit der Behördenleiterin Kerstin Reckewell, dem Personalrat und weiteren Gremien auszutauschen. Abschließend hat der Justizminister ein Gespräch mit den Assessorinnen und Assessoren der Staatsanwaltschaft geführt.

Ein wesentliches Thema des Besuches waren Verfahren wegen Straftaten gegen Einsatzkräfte und dabei insbesondere die bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt und in der Zweigstelle Offenbach am Main eingerichteten Sonderdezernate für Straftaten zum Nachteil von Amtsträgerinnen und Amtsträgern, wie Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, Rettungskräfte, Feuerwehrleuten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden. Die Sonderdezernate wurden zum 1. September 2020 eingerichtet; in diesen werden auch Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende bearbeitet.

Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck erklärte: „Einsatzkräfte verdienen Schutz und Rückendeckung bei der Ausübung ihrer wichtigen und oft lebensrettenden Tätigkeiten. Angriffe auf Einsatzkräfte sind unerträglich. Der Rechtsstaat muss in diesen Fällen konsequent reagieren und alle verfügbaren Mittel ausschöpfen sowie klare Kante zeigen. Die Dimension der Angriffe auf Einsatzkräfte wurde zuletzt in der vergangenen Silvesternacht, insbesondere in Berlin, besonders sichtbar. Auch wenn die Lage im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Darmstadt nicht mit den Verhältnissen in Berlin vergleichbar ist, sind auch hier zahlreiche Verfahren wegen Straftaten zu Lasten von Amtsträgerinnen und Amtsträgern zu bearbeiten. Daher sind die Sonderdezernate in der Staatsanwaltschaft Darmstadt und in der Zweigstelle Offenbach am Main ein wichtiges Signal und ein sinnvolles Instrument, um die Verfolgung und Sanktionierung von Straftaten zum Nachteil von Amtsträgern zentral, einheitlich und konsequent zu bearbeiten.“

Hessenweiter Anstieg der Verfahren

In den beiden Sonderdezernaten der Staatsanwaltschaft Darmstadt wurden im Zeitraum Januar bis September 2022 insgesamt 448 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten zum Nachteil von Amtsträgerinnen und Amtsträgern erfasst. Im gleichen Zeitraum sind in der Zweigstelle Offenbach 147 Verfahren eingegangen.

Vorranging werden in den Sonderdezernaten Verfahren wegen Widerstands gegen bzw. tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamtinnen und Vollstreckungsbeamte oder Personen, die Vollstreckungsbeamtinnen und Vollstreckungsbeamten gleichstehen (§§ 113 bis 115 StGB), Beleidigungsdelikte (§§ 185, 186 StGB), Körperverletzungsdelikte (§§ 223, 224 StGB) und Nötigung sowie Bedrohung (§§ 240, 241 StGB) bearbeitet. Der Großteil der Verfahren betrifft Straftaten zum Nachteil von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ordnungsbehörden, bei Letzteren zu Anfang des Jahres 2022 insbesondere auch im Zusammenhang mit „Corona-Verstößen“.

Hessenweit ist ein Anstieg der Verfahren wegen Straftaten gemäß §§ 113 bis 115 StGB feststellbar. Diese Vorschriften umfassen einen gewichtigen Teil der Straftaten gegen Amtsträgerinnen und Amtsträger, nämlich Verfahren wegen Widerstands gegen bzw. tätlicher Angriffe auf Vollstreckungsbeamtinnen und Vollstreckungsbeamte oder Personen, die diesen gleichgestellt sind, zum Beispiel Einsatzkräfte der Rettungsdienste oder der Feuerwehr. 2020 sind bei den hessischen Staatsanwaltschaften 2.084 Ermittlungsverfahren wegen dieser Taten eingeleitet worden; 2022 lag die Zahl bei 2.233. Das entspricht einem Anstieg um gut 7% in zwei Jahren. Auch die Zahl der Anklagen wegen Straftaten gemäß §§ 113 bis 115 StGB hat zugenommen: von 593 in 2020 auf 695 in 2022. Die Zunahme liegt bei mehr als 17%. 2020 wurden in Hessen 133 Personen zu Freiheitsstrafen wegen dieser Taten verurteilt; 2022 lag die Zahl bei 139.

Schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen

„Ich danke den Bediensteten der hessischen Justiz, dass sie diesen Verfahren schon bisher die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet und konsequent gehandelt haben. Beispielhaft hierfür steht auch ein Fall aus dem Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Darmstadt. So kam es im Mai 2020 zu besonders gravierenden Angriffen auf Einsatzkräfte in Dietzenbach, als mehrere Jugendliche und Heranwachsende im Spessartviertel Brände gelegt hatten, um im Anschluss die alarmierten Feuerwehr- und Polizeikräfte aus dem Schutz der Dunkelheit heraus mit Steinen bewerfen zu können. Das Landgericht Darmstadt hat wegen dieser Tat im Mai 2022 drei Angeklagte rechtskräftig zu Jugendstrafen verurteilt, darunter unter anderem – unter Einbeziehung von Vorverurteilungen – zu Strafen von 2 Jahren und 4 Monaten und 2 Jahren und 6 Monaten. Derartige Strafen können auch nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass Angriffe auf Einsatzkräfte zu schwerwiegenden strafrechtlichen Konsequenzen führen können. Wir müssen Amtsträgerinnen und Amtsträger strafrechtlich umfassend gegen alle Angriffsformen und Tätergruppen schützen. Auch die Bediensteten der Justiz sind immer wieder Übergriffen ausgesetzt. Dies gilt für nahezu alle Berufsgruppen, besonders aber für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sowie Bedienstete des Justizvollzuges. Sie vertreten den Rechtsstaat in besonders sensiblen Bereichen. Es ist alarmierend, dass es in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen und Gruppen gibt, die dem Staat und seinen Institutionen ablehnend, feindselig und teilweise angriffsbereit gegenüberstehen. Eine falsche Toleranz darf es an dieser Stelle nicht geben. Rechtsstaat und Gesellschaft sind zu unmissverständlichen Antworten aufgerufen. Das Strafrecht ist dabei zentral, aber auch kein Allheilmittel. Wir brauchen eine neue Kultur des Respekts gegenüber den Institutionen unseres Staates und den Personen, die für den demokratischen Rechtsstaat und die Gesellschaft im Einsatz sind“, so der Hessische Justizminister weiter.

Weitere Themen des Behördenbesuches waren die personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaft Darmstadt, die Nachwuchsgewinnung und die elektronische Akte.

„Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ist hoch belastet. Sie soll daher in diesem Jahr personell deutlich verstärkt werden. Vorbehaltlich der Zustimmung des Hessischen Landtages werden 2023 und 2024 fast 500 zusätzliche Stellen für die Justiz geschaffen. Davon werden die hessischen Staatsanwaltschaften proportional am stärksten profitieren. 37 zusätzliche Stellen sind für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte vorgesehen. Wir sind bemüht, diese Stellen so schnell wie möglich zu besetzen. Die vorgesehenen Verstärkungen werden auch in Darmstadt ankommen und hoffentlich eine spürbare Entlastung bewirken. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat sich überdies große Verdienste als Vorreiterin der Einführung der elektronischen Akte im Strafverfahren erworben. Seit März 2022 wird hier erstmals bei einer Staatsanwaltschaft in Hessen die elektronische Akte pilotiert. Zuletzt waren 509 Ermittlungsverfahren in elektronischer Bearbeitung. Die bisherigen Erfahrungen sind vielversprechend. Ich danke Frau Reckewell und den Bediensteten der Staatsanwaltschaft Darmstadt ganz herzlich für die geleistete Pionierarbeit, die allen Staatsanwaltschaften in Hessen zu Gute kommt“, sagte der Minister abschließend.

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