Sozialministerin Heike Hofmann hat ihre Regierungserklärung genutzt, um die große Bedeutung zu betonen, die der Kampf für Gleichberechtigung und Chancengleichheit für die Landesregierung genießt: „Wir wollen, dass jede Frau in unserem Land selbstbestimmt leben kann. Wir wollen, dass Frauen echte und freie Wahlmöglichkeiten haben: im Beruf, bei der Lebensplanung oder der Frage, wie sie Familie und Beruf gestalten wollen. Wir erleben jedoch gerade eine beunruhigende Entwicklung: Manche politischen Kräfte stellen die Selbstbestimmung von Frauen in Frage, propagieren überholte Rollenbilder und schüren Ressentiments“, so die Ministerin am Dienstag im Landtag. Dem gelte es, entschieden entgegenzuwirken.
„Geschlechtergerechtigkeit erreichen wir nur, wenn Frauen und Männer wirklich frei entscheiden können, wie sie ihr Leben führen wollen – ohne strukturelle Hürden, wirtschaftliche Zwänge oder gesellschaftlichen Druck. Aus diesen Gründen haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, bestehende Ungleichheiten weiter abzubauen. Dieses Versprechen lösen wir Schritt für Schritt ein“, führte Hofmann aus. Sie verwies etwa auf die Lohnlücke, die sich laut Hessischem Lohnatlas seit 2012 nahezu halbiert hat. „Das ist ein Erfolg, aber noch keine Gleichstellung“ – zumal der durchschnittliche Verdienst aller Frauen im erwerbsfähigen Alter nach wie vor rund 40 Prozent unter dem aller Männer liege, weil fast die Hälfte der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Hessen in Teilzeit arbeite.
Austausch mit weiblichen Führungskräften
„Die Teilzeit, ursprünglich als Brücke zur Vollzeit gedacht, wird für Millionen Frauen in Deutschland oft zur Sackgasse. Frauen leisten fast 30 Stunden unbezahlte Sorgearbeit pro Woche, Männer nur gut 20 Stunden. Auch aus dieser ungleichen Verteilung von Haus- und Sorgearbeit ergibt sich die sogenannte Teilzeitfalle: Sie ist eine finanzielle Falle mit geringeren Renten und verpassten Karrierechancen – und eine strukturelle, denn sie zementiert die traditionelle Rollenverteilung. Wir brauchen mehr echte Gleichberechtigung – und hier ist nicht nur die Politik in der Pflicht, auch die Wirtschaft muss sich fragen, welchen Teil sie beitragen kann“, erläuterte die Ministerin.
Man habe bewusst den Austausch mit weiblichen Führungskräften gesucht. Dabei sei deutlich geworden: Wer Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, betriebliche Kinderbetreuung, Führen in Teilzeit oder Mentoring anbiete, der finde auch weibliche Fachkräfte: „Wenn 50 Prozent der Frauen in Teilzeit arbeiten, obwohl sie mehr arbeiten möchten, bietet das Potenzial für unsere Wirtschaft. Hier müssen wir noch stärker mit unseren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zusammenarbeiten, um Strukturen zu schaffen, die Frauen Teilhabe und Aufstieg ermöglichen. Den Männern sage ich: Gleichberechtigung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, von der jeder profitiert“, so Hofmann.
Bündnis mit Wirtschaft und Wissenschaft schmieden
Sie verwies darauf, dass die Landesregierung in den Bereichen frühkindliche Bildung, Sicherheit, Arbeitswelt, Integration und Verwaltung bereits viel vorangetrieben habe. Doch man sei noch nicht am Ende, werde etwa ein Bündnis mit Wirtschaft und Wissenschaft schmieden, um mehr junge Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen und einen Aktionsplan für MINT-Angebote in der frühen Bildung vorlegen. „Wir wollen Mädchen früh begeistern und ihnen zeigen: Ihr könnt das auch. Wir prüfen, wie wir Führung in Teilzeit noch stärker fördern können. Schließlich werden wir die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in der Landesverwaltung weiter verbessern – durch flexible Arbeitszeiten, Familienzeitkonten und Notfallkinderbetreuung“, sagte die Ministerin.
Gleichwohl lägen Renten- oder Steuerrecht nicht in Landeshand. Hier wolle man den hessischen Vorsitz bei Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) sowie Jugend- und Familienministerkonferenz im kommenden Jahr nutzen, um auch auf Bundesebene Einfluss zu nehmen, führte Hofmann aus. Bereits in diesem Jahr habe sie einen Antrag zur Sorgearbeit erfolgreich in die ASMK eingebracht und so den Handlungsbedarf betont, dass das Engagement pflegender Angehöriger mehr Berücksichtigung bei der Rente finden müsse. Ein rechtlicher Rahmen sei dafür überfällig.
„Wir wollen nicht, dass Frauen zwischen Karriere und Familie wählen müssen. Wir wollen, dass beides geht. Wir wollen nicht, dass Frauen in Altersarmut leben, weil sie sich um ihre Kinder oder ihre pflegebedürftigen Eltern gekümmert haben. Wir wollen, dass Sorgearbeit wertgeschätzt, abgesichert und gerechter verteilt wird. Dafür setzen wir uns als Hessische Landesregierung ein“, sagte Hofmann.