Demnach sollen die rund 104.000 hessischen Landesbeamtinnen und -beamten, Richterinnen und Richter sowie gut 85.000 hessische Versorgungsempfängerinnen und -empfänger (Ruhestandsbeamtinnen, -beamte und Hinterbliebene) zum 1. April 2023 und 1. Januar 2024 jeweils drei Prozent mehr Geld erhalten. Außerdem steigen die Familienzuschläge für die Kinder hessischer Staatsdienerinnen und Staatsdiener deutlich. Zudem sollen Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bereits bei ihrer Einstellung in den Landesdienst höhere Bezüge erhalten.
„Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert von allen Bundesländern sowie dem Bund eine Anpassung der Beamtenbesoldung. Hessen wird seiner Verantwortung gerecht und reagiert zügig sowie richtungsweisend. Die vorgestellten Maßnahmen werden unmittelbar zu spürbaren Verbesserungen für alle Bediensteten führen. Sie sind zwei erste wichtige und erhebliche Schritte in die richtige Richtung zur verfassungskonformen Alimentation in Hessen. Weitere, auch strukturelle Maßnahmen werden folgen, sobald Karlsruhe eine abschließende Bewertung der Besoldungsstruktur in Hessen vorgenommen hat. Wir wollen eine verfassungskonforme, familienfreundliche und faire Besoldung für einen leistungsstarken Öffentlichen Dienst“, so Hessens Innenminister Peter Beuth.
Der eingebrachte Gesetzentwurf berücksichtigt, dass das Bundesverfassungsgericht und zuletzt auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in ihren jüngeren Entscheidungen die Rahmenbedingungen für die Besoldung der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter neu abgesteckt haben. Beide Gerichte haben verdeutlicht, dass bei der Bemessung der Besoldung stärker als bisher die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft Berücksichtigung finden und sich auch die besonderen Bedarfe von Familien mit Kindern widerspiegeln müssen.
Wesentliche Eckpunkte des Gesetzesvorhabens
- Die Dienst-, Amts- und Versorgungsbezüge der Beamtinnen und Beamten, der Richterinnen und Richter sowie der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger werden in zwei Schritten zum 1. April 2023 und zum 1. Januar 2024 jeweils linear um drei Prozent erhöht. Diese Erhöhung erfolgt zusätzlich zu der Besoldungsanpassung nach dem Gesetz über die Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hessen in den Jahren 2022 und 2023 und zur Gewährung einer Corona-Sonderzahlung aus Anlass der COVID-19- Pandemie vom 8. Dezember 2021.
- Der Familienzuschlag für das erste und zweite Kind wird um jeweils monatlich 100 Euro, der Familienzuschlag für das dritte sowie für jedes weitere Kind um jeweils monatlich 300 Euro angehoben.
- Die Besoldungsgruppe A 5 wird zum 1. April 2023 entfallen und die vorhandenen Beamtinnen und Beamten werden gesetzlich in die Besoldungsgruppe A 6 übergeleitet.
- Die Grundgehaltstabelle der Besoldungsordnung R wird strukturell verändert. In den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 entfallen die beiden niedrigsten (Erfahrungs-)Stufen. Vorhandene Angehörige der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 werden in die jeweils übernächste Stufe übergeleitet.
- Zeitgleich werden auch die Mehrarbeitsvergütungssätze allgemein und im Polizeibereich entsprechend linear angepasst.
Hintergrund: Warum verändert Hessen die Beamtenbesoldung?
Alle Länder und der Bund sind durch das Grundgesetz verpflichtet, die Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter angemessen zu besolden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai 2020 in zwei Grundsatzentscheidungen festgestellt, dass die Richterbesoldung in Berlin und Nordrhein-Westfalen in Teilen verfassungswidrig ist. Diese Entscheidungen haben Auswirkungen auf alle Bundesländer und den Bund. Konkret geht es um das im Grundgesetz verankerte sogenannte Alimentationsprinzip, insbesondere im Hinblick auf den Abstand zur Grundsicherung.
Zusätzliche Sozialleistungen wirken sich auf Besoldung aus
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2015 verschiedene Kriterien entwickelt, mit deren Hilfe die Angemessenheit der Beamtenbesoldung überprüft werden kann. Dazu gehört unter anderem, dass die Besoldung der Beamtinnen und Beamten in der untersten Besoldungsgruppe und -stufe mindestens 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau liegen muss. Verglichen werden dabei Familien mit zwei minderjährigen Kindern und einem Einkommen, da die sog. vierköpfige „Alleinverdienerfamilie“ die Bezugsgröße in der Besoldung ist. Dass dieser Abstand sich in den letzten Jahren erheblich verringert hat, liegt insbesondere an dem Umstand, dass zusätzliche staatliche Sozialleistungen für in der Regel arbeitslose oder arbeitssuchende Menschen berücksichtigt werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Ergebnis die Kriterien für die Prüfung des notwendigen Abstands zur Grundsicherung in den oben genannten Entscheidungen neu festgelegt und deutlich verschärft.
Außerdem muss zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen ein hinreichend großer Abstand gewahrt werden. Das heißt, Beamtinnen und Beamte der höheren Besoldungsgruppen müssen wegen der höheren Wertigkeit der ihnen anvertrauten Tätigkeiten ein höheres Einkommen haben als in niedrigeren Besoldungsgruppen.
Besoldungsfragen werden schrittweise durch Gerichtsentscheidungen beantwortet
Offen sind noch zwei Musterstreitverfahren gegen das Land Hessen. Die Kläger tragen vor, die Alimentation in der sog. A- sowie in der W-Besoldung sei nicht amtsangemessen. Zuletzt hatte der Verwaltungsgerichtshof in Kassel entschieden, dass die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Abstandsgebots nicht eingehalten seien und in zwei Beschlüssen vom 30. November 2021 die Frage der Verfassungsmäßigkeit der hessischen Besoldung dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Wird der Abstand der Nettobesoldung in der niedrigsten Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe zum Grundsicherungsniveau nicht eingehalten, wirkt sich dies auf das ganze System und auf alle Besoldungsgruppen aus.
Der Bund, alle Bundesländer und damit auch das Land Hessen stehen nun vor der Herausforderung, eine verfassungskonforme Alimentation der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter, sowie der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger wiederherzustellen. Die Hessische Landesregierung hatte bereits unmittelbar nach der Verkündung der Vorlagebeschlüsse des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs erklärt, nicht erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abzuwarten, sondern unverzüglich Maßnahmen zu entwickeln.