Zur Herbsttagung hat Hessen erneut mehrere Initiativen eingebracht. So wird im Hinblick auf den aktuellen Nahostkonflikt über die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland beraten. Nach dem terroristischen Angriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober nahm die Anzahl antisemitischer Straftaten zu. Angesichts dessen sieht Hessens Innenminister Peter Beuth weitergehenden Handlungsbedarf und spricht sich - analog zur Forderung des Hessischen Justizministers Prof. Dr. Roman Poseck - für eine Überprüfung des geltenden Strafrechts aus. So soll die Leugnung des Existenzrechts Israels ein eigener Straftatbestand und zugleich Ausschlusskriterium bei Einbürgerungen werden. Darüber hinaus soll sich eine IMK-Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Antisemitismusbeauftragten aus Bund und Ländern einen „Nationalen Aktionsplan gegen Antisemitismus“ erarbeiten, der neben repressiven auch präventive Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung und Medienkompetenz umfasst.
„Jüdisches Leben steht in Deutschland unter dem besonderen Schutz des Staates. Hass, Gewalt und Hetze dürfen deshalb keine Verbreitung finden. Wir wollen im Kreise der Innenministerkonferenz das klare Signal und Bekenntnis zum Staat Israel untermauern. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Demonstranten die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in unserem Land missbrauchen, um auf unseren Straßen ungehemmt israelfeindliche, antisemitische und gewaltverherrlichende Parolen zu skandieren. Deshalb müssen weiterhin alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Äußerungen, Symbole, Motive oder Aufrufe zu verbieten, die gegen die Sicherheit oder gar den Bestand des Staates Israel gerichtet sind. Analog zur letzten Justizministerkonferenz soll die Innenministerkonferenz die Bundesregierung um eine Prüfung bitten, ob und inwieweit das geltende Strafrecht angesichts der aktuellen Geschehnisse angepasst werden muss. Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz“, so Innenminister Peter Beuth.
Task Force „Nahostkonflikt“
Seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel vor einem Monat hat die Polizei in Hessen insgesamt rund 570 Straftaten im Zusammenhang mit dem Krieg registriert. Bei einem Großteil der Straftaten handelt es sich um „Hasspostings“ (Billigung von Straftaten gemäß § 140 StGB und Volksverhetzung gemäß § 130 StGB), nur eine vergleichsweise geringe Anzahl waren Gewaltdelikte (Körperverletzungs- und Widerstandsdelikte). Insgesamt haben seit dem Überfall der Hamas auf Israel Anfang Oktober bislang rund 200 Veranstaltungen und Versammlungen in Hessen stattgefunden. Davon waren rund 70 pro-palästinensischer und rund 80 pro-israelischer Ausrichtung. Bei rund 50 Demonstrationslagen konnte ein Nahostbezug, jedoch keine konkrete Ausrichtung, festgestellt werden.
Im Hessischen Innenministerium wurde mit Beginn der Kriegshandlungen eine Task Force „Nahostkonflikt“ eingerichtet. Sie analysiert laufend die Gefährdungslage für Hessen, verifiziert aktuelle Hinweise und bewertet die bestehenden Schutzmaßnahmen für Einrichtungen und Veranstaltungen des jüdischen Lebens in Hessen. In der Task Force werden ebenso alle Informationen der hessischen Sicherheitsbehörden über mögliche Versammlungen im Kontext des Nahostkonflikts gebündelt und ausgewertet. Basierend darauf werden erforderliche sicherheitsbehördliche Maßnahmen initiiert. Zudem werden auch die kommunalen Versammlungsbehörden im Hinblick auf mögliche Auflagen oder Verbote über die Regierungs- und Polizeipräsidien zielgerichtet beraten und unterstützt.
Migration: Einreiseverweigerungen bereits an den EU-Binnengrenzen gefordert
Aufgrund der aktuellen Migrationslage bringt Hessen auf der IMK darüber hinaus eine Initiative ein, welche die Bundesregierung dazu auffordert, im Rahmen der weiteren Beratung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS-Reform) und des Schengener Grenzkodex darauf hinzuwirken, dass bei Einreiseverweigerungen an den Binnengrenzen keine aufwendigen rechtsförmlichen Überstellungsverfahren durchzuführen sind. So soll der Bund bis zur Anpassung der GEAS-Reform die bestehenden Ausnahmemöglichkeiten (nach Artikel 2 Absatz 2 Rückführungsrichtlinie in der Bundesrepublik) legislativ sowie im Vollzug durch die Bundespolizei im weitest möglichen Umfang genutzt werden. Ziel der Initiative ist, dass Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, deren Antrag im Rahmen des Grenzverfahrens nach der neuen Asylverfahrensordnung abgelehnt wurde, die Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bereits im Vorfeld nicht gestattet wird. Der Bund soll sich zudem im Rahmen der Beratungen dafür einsetzen, dass diese Grenzverfahren bereits an den Binnengrenzen durchgeführt werden können.
Peter Beuth, Sprecher der unionsgeführten Innenministerien in Deutschland sagt hierzu: „Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Zahl der in die Europäische Union und nach Deutschland flüchtenden Menschen stärker reguliert werden muss. Nur so können wir die Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten in unserem Land erhalten. Wenn die Kommunen in Deutschland nachhaltig entlastet werden sollen, muss der Bund bei den GEAS-Verhandlungen für Maßnahmen stark machen, die endlich zu einer effektiven Begrenzung führen. Hierbei müssen alle rechtlichen Möglichkeiten gezogen werden. Zuletzt hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Zurückweisungen an den EU-Binnengrenzen rechtswidrig seien. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten eine Änderung der Rechtsgrundlagen im europäischen Asylrecht herbeizuführen, damit illegale Einreisen künftig bereits an den EU-Binnengrenzen verhindert werden können.“
Geldautomaten: Umsetzung von präventiven Sicherheitsmaßnahmen
Der Kampf gegen Geldautomatensprenger ist eine der drängendsten Aufgaben der Polizei. Im Hinblick auf die weiterhin viel zu hohe Zahl von Geldautomatensprengungen in Deutschland fordert Hessens Innenminister Peter Beuth, Sprecher der unionsgeführten Innenministerien (B-Sprecher), den weiteren Ausbau von Sicherungsmaßnahmen der Banken- und Kreditwirtschaft. Nachdem das Thema Geldautomatensprengungen in der Vergangenheit mehrmals besprochen wurde, soll das Bundesministerium des Innern (BMI) auf der IMK in Berlin die Innenministerinnen und Innenminister über einen möglichen Fahrplan zur Einführung einer bundesweiten rechtlichen Verpflichtung von Sicherungsmaßnahmen informieren.
„Die Anzahl der Geldautomatensprengungen in Deutschland reißt leider nicht ab. Die Sprengungen werden von skrupellosen, organisierten Tätern begangen, die nicht davor zurückschrecken, dass unbeteiligte Dritte verletzt oder gar getötet werden. Die IMK hatte sich dem Thema bereits mehrfach angenommen und sich auf der letzten Konferenz der hessischen Forderung angeschlossen, dass die skrupellosen Taten künftig stärker bestraft werden sollen. Nunmehr warten die Länder auf die Umsetzung durch den Bund. Gleichzeitig wollen wir gemeinsam erörtern, wie weit die Umsetzung von präventiven Sicherungsmaßnahmen durch die Geldinstitute - ohne rechtliche Vorgaben in Deutschland - erfolgt ist. Denn überdeutlich ist, dass noch immer zu viele Taten Erfolg haben und den Tätern ihre Tatgelegenheit nur genommen werden kann, wenn Sprengungen in Deutschland unattraktiv werden. Hierfür ist eine flächendeckende Umsetzung von präventiven Sicherungsmaßnahmen dringend notwendig. Die Aufgabe der Bankenwirtschaft ist es bereits seit vielen Monaten, deutlich mehr in die Sicherungstechnik ihrer Geldautomaten zu investieren. Wenn sie dieser nicht in der gebotenen Form nachkommt, wird sie der Gesetzgeber hierzu verpflichten müssen“, so Innenminister Peter Beuth, Sprecher der unionsgeführten Innenministerien in Deutschland.
Die Anzahl der Geldautomatensprengungen hatte 2022 bundesweit mit 496 einen Höchststand erreicht. Dieser Trend setzt sich im Jahr 2023 ungebrochen fort. In Hessen waren bis zum 1. Dezember 2023 bislang 54 Sprengungen und damit 18 mehr als im Vergleichszeitraum Januar bis Dezember 2022 registriert worden. Der Gesamtschaden stieg um knapp fünf Millionen Euro und beläuft sich aktuell auf knapp 15 Millionen Euro, darunter sind ca. 4,5 Millionen Euro Beute. Bei acht Taten konnten die Täter kein Bargeld erbeuten und es blieb bei der Sprengung. In 37 Fällen wurde der Geldautomat gesprengt und Bargeld erbeutet. Im Vergleichszeitraum 2022 ereigneten sich insgesamt 36 Taten.
Intensivierung der Ermittlungs- und Fahndungsmaßnahmen
Durch eine weitere Intensivierung der Ermittlungs- und Fahndungsmaßnahmen konnte in Hessen die Aufklärungsquote in Hessen von 17 Prozent im Jahr 2022 auf knapp 44 Prozent im Jahr 2023 gesteigert werden. Immer häufiger gehen damit Geldautomatensprenger der hessischen Polizei ins Netz. Im Bereich der Ermittlungen erfolgte eine weitere Vernetzung sämtlicher in Hessen ermittelnden Dienststellen mit dem HLKA. Darüber hinaus wurde der Austausch der hessischen, bundesdeutschen, europäischen Dienststellen und dem BKA intensiviert. Die hessische Polizei konnte, auch dank dieser Maßnahmen, die Aufklärungsquote für das laufende Jahr 2023 stark erhöhen.
Derzeit begehen niederländische Tätergruppen die Taten vermehrt im Südwesten Deutschlands. Die bislang bevorzugten örtlichen Regionen der vorwiegend niederländischen Täter sind die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und auch Hessen. Die Täter nutzen in über 80 Prozent der Geldautomatensprengungen feste Explosivstoffe in unterschiedlicher Zusammensetzung. Dies birgt insbesondere dann eine hohe Gefahr, wenn sich die gesprengten Geldautomaten in einem sogenannten Mischgebäude (kombiniertes Wohn- und Geschäftshaus) beziehungsweise in der Nähe von Wohnhäusern befinden. Oft ist es nur vom Zufall abhängig, dass bei diesen Sprengungen keine unbeteiligten Passanten oder Anwohner verletzt oder gar getötet werden. Für die Täter ist die Attraktivität, in kurzer Zeit viel Bargeld zu erbeuten, hoch. Aus diesem Grund betrachten die Sicherheitsbehörden das Kriminalitätsphänomen weiterhin ganzheitlich und passen ihre Einsatz- und Fahndungskonzeptionen fortlaufend an. Die Polizei führt zudem offene und verdeckte polizeiliche Maßnahmen und Kontrollaktionen – auch länderübergreifend mit den Partnerbundesländern – durch. Dennoch bedarf es nunmehr einer rechtlichen Verpflichtung von Sicherungsmaßnahmen, um das Sicherheitsproblem nachhaltig zu lösen.
Die 220. Herbsttagung der Innenministerkonferenz unter Vorsitz von Berlins Senatorin Iris Spranger findet vom 6. bis 8. Dezember 2023 in Berlin statt.