Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Poseck zieht Bilanz zu Gewalt bei Protesten

Am Wochenende haben in Gießen bei 26 Gegenveranstaltungen gegen die Neugründung einer AfD-Jugendorganisation ca. 25.000 Menschen demonstriert. Darunter befanden sich ca. 1.000 gewaltbereite Personen. Es ist zu 15 Blockaden gekommen, wobei fünf Blockaden durch die Polizei aufgelöst wurden. Bei einer Blockade hat es in der Folge einen Auffahrunfall mit einem Rettungswagen gegeben.

Die Zahl der verletzten Beamten wird gegenwärtig auf über 50 geschätzt. Dabei ist es nach aktuellem Stand nicht zu schweren Verletzungen gekommen. Die Verletzungen umfassen Verletzungen durch Steinwürfe, Tritte oder Überrennen. Pyrotechnik wurde neben einem Polizeifahrzeug gezündet. Die Polizei ist auch mit Böllern aus der Menge attackiert worden. Polizisten in Zivil wurden eingekesselt. Ein Polizist hat sich die Hand gebrochen.

Auch Journalisten wurden attackiert und in ihrer Arbeit behindert.

Darüber hinaus ist es nach aktuellem Stand zu drei Festnahmen, 192 Identitätsfeststellungen und 60 Durchsuchungen von Personen oder Sachen gekommen.

Innenminister Roman Poseck zog in Wiesbaden die folgende vorläufige Bilanz:

„Dank des großen Polizeieinsatzes konnte in Gießen Schlimmeres verhindert werden. Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass es ohne das Handeln der Polizei schwerste Straf- und Gewalttaten gegeben hätte. Ich verurteile scharf, dass es zu erheblichen Übergriffen gekommen ist. Nach aktuellem Stand wurden über 50 Polizisten verletzt. Es ist unerträglich, dass Einsatzkräfte im Einsatz für unseren Rechtsstaat angegriffen werden.

Auch gegen Personen der AfD müssen Gewaltanwendungen ein Tabu sein. Bei aller berechtigten Kritik an politischen Positionen: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit steht allen zu. Deshalb darf es auch keine Angriffe auf Andersdenkende geben; unabhängig davon, welche Positionen diese vertreten. Ich verurteile ausdrücklich, dass es zu einem gewalttätigen Angriff auf einen Bundestagsabgeordneten der AfD gekommen ist.

Ein Teil der Gegendemonstranten hat am vergangenen Wochenende massive Rechtsbrüche begangen. Es ist versucht worden, Absperrungen zu durchbrechen und die Vorgaben von Versammlungsbehörde sowie Verwaltungsgericht zu missachten. Etliche Gegendemonstranten haben gegen das Vermummungsverbot verstoßen und beleidigende Handlungen und Äußerungen gegenüber Einsatzkräften begangen. Auch die umfangreichen Blockadeaktionen, an denen sich eine deutlich vierstellige Zahl von Aktivisten beteiligt hat, stellen schwerwiegendes Unrecht dar. Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt noch einmal klargestellt, dass Aktionen nicht darauf ausgerichtet sein dürfen, eine Versammlung, die sich ebenfalls auf die Versammlungsfreiheit berufen kann, zu verhindern. Im Übrigen haben auch unbeteiligte Verkehrsteilnehmer ein Recht auf Fortbewegung.

Gewalttäter und Rechtsbrecher haben nicht oder nur unzureichend auf die Ansprache durch die Polizei reagiert. Es ist folgerichtig und notwendig, dass die Polizei in diesem Fall das Recht auch mit Zwang durchsetzt. Das Handeln der Polizei wäre vermeidbar gewesen, wenn sich alle Demonstranten an Recht und Gesetz gehalten hätten.“

Kritik an Rechtsbrüchen und Warnung vor extremistischer Parallelwelt

„Das Bündnis Widersetzen bewegt sich in einer hoch gefährlichen rechtlichen Parallelwelt. Aus dem vermeintlichen Kampf für das Gute und gegen das Böse wird das Recht abgeleitet, außerhalb der Rechtsordnung handeln zu können. Ein solches Verhalten darf in unserem demokratischen Rechtsstaat keinen Raum haben. Ansonsten verliert dieser seine Autorität und Ordnung. Ich verurteile die Aktionen daher scharf.

Ich verkenne nicht, dass die meisten Demonstranten friedlich waren und sie in berechtigter Sorge um unsere Demokratie ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus gesetzt haben. Aus einer Ablehnung der AfD darf aber keineswegs eine falsche Toleranz gegenüber Demokratiefeinden der anderen Seite werden. Alle Demokraten sind aufgerufen, klar Position gegen jede Form des Extremismus zu beziehen. Es geht um nichts Geringeres als um die Verteidigung der Grundsätze unseres demokratischen Rechtsstaats gegenüber Extremen am linken und rechten Rand.

Selbstverständlich wird der polizeiliche Einsatz auch noch einmal im Einzelnen nachbereitet werden. Für mich ist dieser Einsatz nach wie vor ein Erfolg. Die Rechtsordnung konnte weitgehend durchgesetzt werden. Das waren Ziel und Aufgabe der Polizei und das ist auch erreicht worden. Ausschlaggebend dafür waren das massive Kräfteaufgebot und das professionelle und in Teilen auch konsequente Handeln der Polizei. Auch an dieser Stelle ist die Darstellung teilweise verzerrt, wenn von Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Rechtsbrechern die Rede ist und diese gewissermaßen auf eine Stufe gestellt werden. In den Brennpunkten standen sich in Gießen Hüter des Rechts auf der einen Seite und Gewalttäter sowie Rechtsbrecher auf der anderen Seite gegenüber. Ich danke allen Polizisten für ihren aufopferungsvollen Einsatz und ich erwarte eine klare Rückendeckung für unsere Einsatzkräfte aus dem gesamten demokratischen Spektrum.“ 

Das Wochenende hinterlässt einen faden Beigeschmack. Gewalt und Rechtsbrüche sind kein Einsatz für Demokratie. Der Protest muss sich friedliche und rechtsstaatlich zulässige Wege suchen.

Roman Poseck Innenminister

„Es kann nicht sein, dass jede größere AfD-Veranstaltung auch von derartigen gewalttätigen und rechtswidrigen Aktionen begleitet wird. Das ist nicht nur Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremen, sondern auch eine unerträgliche Belastung und Zerreißprobe für Staat und Gesellschaft. Die Kosten des Einsatzes betragen mehrere Millionen Euro. Das ist eine sehr hohe Investition zur Verhinderung eines direkten gewalttätigen Aufeinandertreffens von extremen Kräften. Einsatz für unsere Demokratie muss im Rahmen des geltenden Rechts, also bei friedlichen Demonstrationen, in den Parlamenten und, wenn notwendig, auch vor Gerichten, erfolgen.“