Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

KI-Projekt „Codefy“ am Landgericht Frankfurt gestartet

Prof. Dr. Roman Poseck: „Der Justizstandort Frankfurt ist deutschlandweit Motor bei KI-Projekten in der Justiz. Künstliche Intelligenz ist ein wichtiges Mittel der Unterstützung, nicht jedoch ein Ersatz für den Menschen. Wir werden auch in Zukunft auf eine menschengemachte Justiz setzen.“

„Die Digitalisierung ist mittlerweile fester Bestandteil der hessischen Justiz. Von der elektronischen Kostenmarke über die elektronische Akte bis hin zu KI-Projekten – wir machen die Justiz zukunftsfest.

Elektronischen Akte

Es ist erfreulich, dass wir mit der elektronischen Akte an den Gerichten erfolgreich und zügig vorankommen. Zum morgigen 1. August werden auch das Landgericht Frankfurt und das Verwaltungsgericht Gießen auf die elektronische Akte umgestellt. Damit arbeiten diesen Sommer alle Landgerichte bei Neueingängen in Zivilverfahren, die komplette Verwaltungsgerichtsbarkeit und die gesamte Sozialgerichtsbarkeit bei Neueingängen ausschließlich mit der elektronischen Akte. Auch beim Amtsgericht Bad Homburg wird bereits bei Neueingängen allein mit der elektronischen Akte in Zivilsachen gearbeitet. Ab dem 1. August gilt das ebenso für die Amtsgerichte Bensheim, Darmstadt und Dieburg. Parallel hierzu erfolgen derzeit Pilotierungen in der Arbeitsgerichtsbarkeit und bei dem Oberlandesgericht Frankfurt. Das sind gute Fortschritte, das hohe Tempo beim Ausrollen der elektronischen Akte werden wir fortsetzen.

Die hessische Justiz ist auch ein Vorbild an Innovation. Das zeigt sich insbesondere beim Einsatz von KI-Projekten. Der Justizstandort Frankfurt ist deutschlandweit Motor bei KI-Projekten in der Justiz.

FraUKe

Mit FraUKe – Frankfurter Urteils-Konfigurator Elektronisch – gibt es am Amtsgericht Frankfurt das bundesweit erste Richterassistenztool, bei dem eine künstliche Intelligenz in der Urteilfindung assistiert. FraUKe unterstützt bei Massenverfahren, wie Fluggastrechteverfahren, und gilt damit als deutschlandweiter Vorreiter.

Codefy

Mit ‚Codefy‘ ist heute ein weiteres Projekt am Landgericht Frankfurt hinzugetreten. Wir haben heute den Startschuss für dieses neue KI-Projekt gegeben. Im Rahmen einer Kick-Off Veranstaltung wurde den Bediensteten die Anwendung ‚Codefy‘ vorgestellt, die zunächst an zwei Zivilkammern und einer Wirtschaftsstrafkammer erprobt werden soll. ‚Codefy‘ verfügt über ein KI-unterstütztes Strukturierungs- und Durchsuchungstool, mit dem umfangreiche Verfahrensakten, insbesondere in Umfangs- und Massenverfahren, schnell erfasst, aufgearbeitet und strukturiert werden können. So erhalten die Richterinnen und Richtern zusätzliche Freiräume für den Kernbereich ihrer Tätigkeit, insbesondere die Entscheidungsfindung. Mit eigenständig zu konfigurierenden KI-Prüfassistenten und Textbausteinen können die Richterinnen und Richter bei der Vorbereitung ihrer individuellen Entscheidung unterstützt werden. Ich erwarte, dass sie dadurch insbesondere bei der Erfassung komplexer und umfangreicher Verfahrensakten entlastet werden.

Ich habe heute an der Auftaktveranstaltung im Landgericht Frankfurt teilgenommen und einen sehr positiven Eindruck von dem Potential der Software mitgenommen. Daher bin ich zuversichtlich, dass das Projekt sein Ziel erreichen wird, die Richterinnen und Richter am Gericht zu unterstützen und zu entlasten. Gleichzeitig besteht auch ein Konsens über die Grenzen des Einsatzes von KI in der Justiz. Die Rechtsprechung ist nach dem Grundgesetz den Richtern anvertraut. Der Richter als Mensch muss daher auch weiter im Mittelpunkt der Justiz stehen. Wir werden auch in Zukunft auf eine menschengemachte Justiz setzen. KI ist ein wichtiges Mittel der Unterstützung, nicht jedoch ein Ersatz für den Menschen.

Ich danke allen Beteiligten, die an der erfolgreichen Umsetzung des Projektes mitwirken. Im Herbst können Justizbeschäftigte zudem professionelle Workshops zur Entwicklung und Nutzung von künstlicher Intelligenz in der Justiz besuchen. Diese werden unter anderem durch das Digitalministerium unterstützt, dem ich hierfür ebenfalls danke. Die gesamte Justiz wird von den Erfahrungen des Justizstandorts Frankfurt beim Einsatz von künstlicher Intelligenz profitieren“, führte Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck heute nach der Kick-off Veranstaltung zum Projekt „Codefy“ in Frankfurt aus.

Dr. Wilhelm Wolf, Präsident des Landgerichts Frankfurt erklärte: „Ich freue mich, dass am Landgericht Frankfurt am Main ‚Codefy‘ im Wege eines Pilotprojekts zum Einsatz kommen soll. Wir haben die Erwartung, dass mittels des Unterstützungstools von ‚Codefy‘ die besonders umfangreichen Datenmengen bei großen und umfangreichen Verfahren einfacher gesichtet und bearbeitet werden können. Am Gerichtsstandort Frankfurt kommen solche Großverfahren oftmals und weitaus häufiger vor als an anderen hessischen Gerichten. Die Arbeit unserer Richterinnen und Richter könnte damit bei Massenverfahren, aber auch in umfangreichen Bau- oder Wirtschaftsstrafsachen einfacher und effektiver werden. Softwareunterstützt können die Kolleginnen und Kollegen einen schnelleren und strukturierteren Zugriff auf die relevanten Daten erhalten. Das würde eine erhebliche Erleichterung bei ihrer täglichen Arbeit darstellen.“

KI made in Hessen

Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus sagte: „Wir haben den Anspruch, „KI made in Hessen“ zu einem Markenzeichen unseres Landes zu entwickeln. KI unterstützt uns schon jetzt im öffentlichen Bereich und verbessert unser Leben in Hessen. Beim Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung stehen stets der Nutzen sowie ein verantwortungsbewusster Umgang im Mittelpunkt. Ich freue mich, dass wir die Erprobung auch dieser innovativen Anwendungen im Rahmen unserer Digitalstrategie unterstützen.“

Zu den jüngsten Fortschritten der Digitalisierung in der hessischen Justiz gehören:

Zur Bewältigung von besonders umfangreichen Verfahren und Massenverfahren wird im Rahmen eines Pilotprojekts bei dem Landgericht Frankfurt der Nutzen des intelligenten Strukturierungs- und Durchsuchungstools des Anbieters „Codefy“ für die Richterinnen und Richter in einem Testbetrieb eingeführt. Die Pilotierung umfasst zunächst zwei Zivil- und eine Wirtschaftsstrafkammer.

FRIDA ist eine Eigenentwicklung des Amtsgerichts Frankfurt, um Richterinnen und Richter bei der Erstellung von Dokumenten in Verfahren von Verkehrsordnungswidrigkeiten zu unterstützen. Dokumente werden mithilfe einer Sammlung von Textbausteinen erstellt. Das Auslesen der Akten für Verfahrensdetails erfolgt automatisch anhand fester Suchkriterien. Positive Betriebserfahrung konnte für den Anwenderkreis der Richterinnen und Richter in Verkehrs-Ordnungswidrigkeitenverfahren gewonnen werden.

Mit dem Projekt FraUKe verfolgen das Hessische Ministerium der Justiz und das Amtsgericht Frankfurt das Ziel, Richterinnen und Richter bei der Bearbeitung von Fluggastrechtefällen durch künstliche Intelligenz zu unterstützen. Der in der abgeschlossenen Projektphase erstellte Demonstrator kann Schriftsätze analysieren, Metadaten auslesen und unter Verwendung von Textbausteinen den Richterinnen und Richtern bei der schnellen Erstellung eines Urteilsentwurfs zuarbeiten. In der zweiten Projektphase wurde nunmehr die Beschaffung im Wege eines ergebnisoffenen Vergabeverfahrens initiiert.

Ab Herbst 2023 werden auf Veranlassung des Hessischen Ministeriums der Justiz KI-Workshops zu Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz in der hessischen Justiz professionell durchgeführt. Interessierte Beschäftigte haben die Möglichkeit, in den Austausch mit KI-Unternehmen und Wissenschaftlerinnen wie Wissenschaftlern über die Chancen künstlerischer Intelligenz für Justizarbeitsplätze zu treten und innovative Ideen für die Unterstützung ihres Arbeitsalltags durch künstliche Intelligenz zu entwickeln.

Das Hessische Ministerium der Justiz sieht vor in Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg, ein KI-Anonymisierungstools zu pilotieren. Damit können Gerichtsentscheidungen schnell und effizient und so für eine Veröffentlichung vorbereitet werden. Damit einher geht eine erhebliche Entlastung der Serviceeinheiten, die bislang händisch einzelne Entscheidungen vor ihrer Veröffentlichung anonymisieren. 

Von August 2022 bis April 2023 wurde die Plattform „Online-Terminvereinbarung“ bei den Amtsgerichten Darmstadt und Friedberg pilotiert. Darüber können Bürgerinnen und Bürger für zahlreiche Justizdienstleistungen Termine online buchen. Im Pilotierungszeitraum wurden bereits über 700 Termine online gebucht. Seit Mai 2023 ist die Online-Terminvereinbarung bei 22 weiteren Amtsgerichten verfügbar. Schrittweise werden weitere Justizdienstleistungen angeboten.

Die guten Erfahrungen damit führen auch zu weiteren Erleichterungen für Bürgerinnen und Bürger bei der Kontaktaufnahme mit der hessischen Justiz: Das bisherige Verfahren zur elektronischen Beantragung eines Erbscheins soll in das System der Online-Terminvereinbarung integriert werden. Derzeit läuft die Pilotierung zur Antragstellung auf Erteilung eines Erbscheins über die Online-Terminvereinbarung bei den Amtsgerichten in Darmstadt und Friedberg. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. 

Um im elektronischen Rechtsverkehr u.a. direkt mit dem ersten Schriftsatz den notwendigen Kostenvorschuss entrichten zu können, ist zum 1. Juli 2022 in Hessen die elektronische Kostenmarke eingeführt worden. In einem speziellen Kostenmarkenportal können die elektronischen Kostenmarken ohne das Erfordernis einer Registrierung erworben werden. Die Betragshöhe und die Zahl der zu erwerbenden elektronischen Kostenmarken sind frei wählbar. Als Zahlungsarten stehen derzeit die Kreditkartenzahlung und Überweisung zur Verfügung. Nach Abschluss des Bezahlvorgangs erhält der Kunde eine Quittung mit einer 12-stelligen Kostenmarkennummer und einen Barcode als Sofortausdruck oder als PDF-Datei, welche anschließend bei einem Gericht oder einer Justizbehörde eingereicht werden kann.

Hessen beteiligt sich zudem an zwei bundesweiten Digitalisierungsprojekten. So wird ein beschleunigtes zivilgerichtliches Online-Verfahren mit Hilfe der hessischen Justizbeschäftigten am Amtsgericht Frankfurt entwickelt. Es soll ein rein digitaler Zugang zu den Zivilgerichten geschaffen werden, der es den Bürgerinnen und Bürgern bei niedrigen Streitwerten ermöglicht, schnell, einfach und nutzerfreundlich ihre Ansprüche geltend zu machen. Hierdurch soll die Arbeit der Gerichte effizienter und ressourcenschonender gestaltet werden können.

Zudem fließt das Know-how der Beschäftigten des Amtsgerichts Hanau in die Entwicklung einer digitalen Rechtsantragsstelle (zunächst im Bereich der Beratungshilfe) ein, mit dem finalen Ziel der Digitalisierung aller Onlinedienstleistungen der Justiz in einem einheitlichen Bund-Länder-Justizportal.

Für beide Projekte soll der Testbetrieb bereits Ende des Jahres beginnen.