Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

„Kein Nachlassen im Kampf gegen Kindesmissbrauch“

Seit Oktober 2020 bündelt und intensiviert die Besondere Aufbauorganisation, Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie Und Sexuellen Missbrauch von Kindern (BAO FOKUS) die polizeilichen Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in Hessen.

In dieser Zeit wurden hessenweit über 5.200 Durchsuchungen durchgeführt, 78 Haftbefehle vollstreckt und über 74.000 Datenträger (PCs und Notebooks, externe Speichergeräte, Spielekonsolen, CDs/DVDs und mobile Endgeräte) sichergestellt. Zudem erfolgten bei 2.155 Beschuldigten erkennungsdienstliche Maßnahmen und über 1.320 Beschuldigte wurden unmittelbar nach der Durchsuchung vernommen. Den Beschuldigten werden insbesondere sexueller Missbrauch von Kindern oder Erwerb und Besitz von Kinder- und Jugendpornografie vorgeworfen.

„Die hessische Polizei geht mit der BAO FOKUS seit drei Jahren noch zielgerichteter und unter Ausschöpfung aller taktischen und rechtlichen Mittel gegen Sexualstraftäter und den Besitz von Kinderpornografie vor. Wer Kinder sexuell missbraucht, muss mit der gesamten Macht des Staates kompromisslos bekämpft werden. Wir haben deshalb mit der BAO FOKUS in der hessischen Polizei eine spezialisierte Einheit mit mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter rund 220 Ermittlerinnen und Ermittler, verstetigt. Sie widmet sich bereits seit drei Jahren in ganz Hessen der Verfolgung von Sexualstraftätern und unterstützt die weltweiten Fahndungen gegen Kinderpornografie. Mit den fortwährenden Maßnahmen der Ermittlerinnen und Ermittler der BAO FOKUS unterstreicht die hessische Polizei, dass es in Hessen kein Nachlassen im der Kampf gegen Kindesmissbrauch gibt“, so Innenminister Peter Beuth.

BAO Fokus in der vergangenen Woche erneut im Einsatz

Erst in der vergangenen Woche (KW 42) wurden bei erneuten Schwerpunktmaßnahmen hessenweit insgesamt 72 Wohnobjekte durchsucht. Den insgesamt 71 Beschuldigten im Alter von 14 bis zu 82 Jahren wird sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen oder Erwerb, Besitz und Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie zur Last gelegt. Es wurden dabei insgesamt 96 Smartphones, 65 Computer und Laptops, 85 USB-Sticks, 172 CDs und DVDs sowie 176 weitere deliktsspezifische Gegenstände sichergestellt. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Dursuchungen zwei Verstöße gegen das BtMG sowie zwei Verstöße gegen das Waffengesetz (Schlagring, diverse Messer) festgestellt. Ein Beschuldigter wurde außerdem dem Haftrichter vorgeführt und in der Folge inhaftiert. Das Hessische Landeskriminalamt, dort ist die BAO FOKUS organisatorisch angebunden, koordinierte den Einsatz.

„Kinder und Jugendliche sind besonders verletzliche Mitglieder unserer Gesellschaft. Sie müssen geschützt werden – in der analogen wie in der digitalen Welt. Die BAO FOKUS stellt sich dieser Herausforderung seit nunmehr drei Jahren. Der Verfolgungsdruck auf Sexualstraftäter wurde spürbar erhöht, zahlreiche Ermittlungserfolge konnten erzielt werden, auch ist es gelungen, anhaltende Missbräuche zu stoppen. Allen Kolleginnen und Kollegen, die in der BAO FOKUS täglich daran arbeiten, Kindesmissbrauch zu unterbinden und die Verbreitung von sexuellen Darstellungen von Minderjährigen im Internet einzudämmen, gilt mein besonderer Dank. Ihre Arbeit ist nicht genug zu würdigen“, sagt Andreas Röhrig, Präsident des Hessischen Landeskriminalamtes.

Fallzahlen haben sich bundesweit vervielfacht

In den letzten Jahren sind weltweit und auch in Deutschland schockierende Verbrechen im Bereich Kinderpornografie und dem sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen aufgedeckt worden. Laut Bundeskriminalamt waren im Jahr 2022 die Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch mit 15.520 Fällen auf einem gleichbleibend hohen Niveau wie in 2021 (15.507 Fälle). Einen Anstieg um 10,3 Prozent auf über 48.800 Fälle gab es bei den Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendpornografie. Auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Missbrauchsdarstellungen und jugendpornografische Inhalte besaßen, herstellten, erwarben oder insbesondere über die sozialen Medien weiterverbreiteten, hat sich in Deutschland seit 2018 mehr als verzwölffacht – von damals 1.373 Tatverdächtigen unter 18 Jahren auf 17.549 Tatverdächtige (davon 5.553 Kinder unter 14 Jahren und 11.996 Jugendliche über 14 Jahren) in 2022. Das Dunkelfeld ist um ein Vielfaches größer.

In vielen Fällen erhalten die hessischen Ermittlungsbehörden Hinweise von Internetdienstleistern oder der US-amerikanischen Organisation „National Center for missing and exploited children“, die von Internetprovidern über Missbräuche im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert wird. Alleine im vergangenen Jahreszeitraum wurden hessenweit im Durchschnitt an jedem Tag mehr als sechs Beschlussvollstreckungen durchgeführt, um einschlägigen Sexualstraftätern habhaft zu werden. Dabei gehen die Ermittlerinnen und Ermittler besonders akribisch jeder Verdachtsmeldung nach.

EuGH-Urteil: Urteil eröffnet Ermittlungsbehörden Möglichkeiten

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wurde im September 2022 Rechtssicherheit geschaffen, in welchem klar festgelegte rechtsstaatliche Grenzen bei der Verfolgung und Bekämpfung von Terrorismus und anderen schweren Straftaten für die Ermittlungsbehörden eingeräumt wurden. Das gilt insbesondere für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch sowie Kinderpornografie im Netz. Mit Hilfe der IP-Adresse kann, anders als z.B. mit Hilfe von GPS-Daten, nicht der Aufenthaltsort oder das Bewegungsprofil einer Person festgestellt werden, sondern lediglich herausgefunden werden, welcher Internetzugangs-Dienstanbieter von einem potenziellen Täter bei der Tatbegehung verwendet wurde. Für die Ermittler ist die IP-Adresse verbunden mit dem Zeitpunkt der Tat oft der einzige Ermittlungsansatz, um Tätern im Bereich des Kindesmissbrauchs und der Kinderpornografie habhaft zu werden.

„Die Bundesregierung gibt den Ermittlungsbehörden leider noch immer nicht die notwendigen Befugnisse an die Hand, um zahlreiche Fälle von Kindesmissbrauch und anderen schwersten Straftaten weiterverfolgen zu können. Dabei braucht es die dringend benötigte Rechtsgrundlage zur Speicherung der Verkehrsdaten. Die Bundesregierung muss schleunigst den Ermittlungsbehörden die dringend nötigen Befugnisse im Kampf gegen Kindesmissbrauch an die Hand geben“, so Innenminister Peter Beuth.

Landesregierung investiert vier Millionen Euro für neue Forensikplattform

Das Hessische Landeskriminalamt und der INNOVATION HUB 110 des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik haben gemeinsam eine Forensikplattform entwickelt, um die Bekämpfung von Kindesmissbrauch weiter zu verbessern. Vier Millionen Euro stehen für diese moderne IT-Infrastruktur bereit und sind im Haushalt der Hessischen Landesregierung fest hinterlegt. Daten können so deutlich schneller und zielgerichteter ausgewertet werden –  dies ermöglicht, Täternetzwerke zu enttarnen und Täterinnen und Täter schneller festzunehmen, um Missbrauch von Kindern wirkungsvoll zu verhindern. Durch die weltweite Verbreitung und Verfügbarkeit von kinderpornografischen Darstellungen im Internet stellt allein die Flut an Datenmaterial, die bei jedem Verfahren ausgewertet werden müssen, die Ermittlerinnen und Ermittler permanent vor sehr große Herausforderungen. Im Zuge der Aufklärung bundeslandübergreifender pädokrimineller Täterstrukturen im Rahmen eines großen Ermittlungskomplexes konnten durch die Forensikplattform 61 Asservate mit mehreren Millionen Datensätzen innerhalb kürzester Zeit geräteübergreifend ausgewertet werden. Hierdurch wurden Bezüge zwischen pädokriminellen Tätern aus Nordrhein-Westfalen und hessischen Tätern belegt sowie ein Tatort auf Mallorca ermittelt. Durch die schnelle Analyse der Daten und der Netzwerke konnten die Täter letztlich festgenommen werden. Die Forensikplattform wird kontinuierlich weiterentwickelt und an die Bedarfe der Ermittlerinnen und Ermittler angepasst. Sie legt damit auch den Grundstein, um Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Kindesmissbrauch unterstützend zum Einsatz zu bringen.

„Was sich unsere Ermittlerinnen und Ermittler ansehen müssen, ist zutiefst verstörend. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen unserer BAO FOKUS überaus dankbar, dass sie diese wichtige Arbeit im Kampf gegen Kindesmissbrauch leisten. Zugleich setzen wir auf innovative Technik, um aus der Datenflut schnellstmöglich die für den Ermittlungserfolg entscheidenden Informationen herauszufinden und insbesondere noch laufenden Realmissbrauch zu unterbinden. Hessen hat den Verfolgungsdruck intensiviert und investiert gezielt in innovative technische Lösungen, wie die Nutzung der modernen Forensikplattform. Wir setzen alles daran, sexuellen Missbrauch und weitere schreckliche Verbrechen gegen Kinder zu verhindern“, so Hessens Innenminister Peter Beuth.

Hintergrund

BAO FOKUS

Die BAO FOKUS hatte am 1. Oktober 2020 ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist im Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) zentral angesiedelt und hat in sämtlichen Polizeipräsidien Regionalabschnitte gebildet, um zentral koordiniert landesweit Ermittlungsverfahren zu führen. Mit insgesamt über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter rund 220 Ermittlerinnen und Ermittler, verfolgt die hessische Polizei gezielt Sexualverbrechen an Schutzbefohlenen.

Lange Verjährungsfristen bei sexuellem Kindesmissbrauch

Die strafrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Kindesmissbrauch ruhen bis zum vollendeten 30. Lebensjahr des Opfers. Die Verjährungsfristen für sexuellen Kindesmissbrauch betragen dann, je nach Schwere der Tat, zwischen fünf und 20 Jahren. Opfer können also auch noch im Erwachsenenalter Taten aus der Kindheit zur Anzeige bringen. Die hessische Polizei ruft dazu auf, solche Taten zur Anzeige zu bringen, damit Täter bestraft und so womöglich weitere Straftaten an Schutzbefohlenen verhindert werden können. Die hessische Polizei arbeitet im Bereich des Opferschutzes eng mit verschiedenen Hilfseinrichtungen zusammen, sodass Opfern und deren Angehörigen schnell Hilfe und Beratung zuteilwird.

Ermittler der BAO Fokus erhalten monatlich 300 Euro Erschwerniszulage

Seit dem 1. Juli 2023 erhalten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, deren Hauptaufgabe im Deliktsbereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern oder der Kinderpornografie liegt, eine Zulage in Höhe von 300 Euro monatlich. Sie ist Teil der Besoldung der Polizeibeamten und nicht ruhegehaltfähig. Für in diesem Bereich eingesetzte Tarifbeschäftigte wird ebenfalls ein monatlicher Betrag in Höhe von 300 Euro als außertarifliche Zulage gezahlt. Die hessische Polizei hat frühzeitig Supervisions- und Betreuungsangebote für die im Bereich des Kindesmissbrauchs tätigen Beschäftigten etabliert. Die Angebote werden sehr gut angenommen.

Beratungs- und Hilfehotline der Polizei Hessen

Aufgrund der signifikanten Fallsteigerung gerade bei jungen Menschen haben das Hessische Innenministerium und die hessische Polizei eine hessenweite Beratungs- und Hilfehotline zur Prävention und Aufklärung über die Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie eingerichtet. Hilfesuchende Eltern und junge Menschen können sich vertrauensvoll unter der Rufnummer 0800 - 55 222 00 an die Präventionsexperten der hessischen Polizei wenden. Hintergrund ist vor allem, dass immer häufiger – meist unbedarft – einschlägige Bilder und Videos von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden über soziale Netzwerke sowie Messenger-Dienste verbreitet werden.