Angesichts der weiter steigenden Zugangszahlen nach Deutschland fordern die Innenministerinnen und Innenminister der Union, dass die Bundesregierung nachhaltige Maßnahmen zur Ordnung und Begrenzung der Migration ergreift. Kurzfristig sollte die Bundespolizei mit Grenzkontrollen an besonders belasteten deutschen Binnengrenzen beauftragt werden. Das hat Hessens Innenminister Peter Beuth, Sprecher der unionsgeführten Innenministerien (B-Sprecher der Innenministerkonferenz – IMK), nach dem Austausch mit dem Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, in Bad Homburg zum Ende der diesjährigen B-IMK verkündet.
„Es ist höchste Zeit, dass die Ampel die Realitäten anerkennt und tätig wird. Das Zugangsgeschehen macht sofortiges Handeln nötig. Es darf nicht mehr nur darum gehen, wie immer mehr Personen in den Kommunen untergebracht werden können. Die Bundesregierung muss jetzt für Ordnung und Begrenzung der Migration sorgen. Nur so kann die gesellschaftliche Akzeptanz für die Versorgung schutzbedürftiger Menschen weiterhin gewährleistet werden. Leider bemüht sich die Ampel nicht um europäische Lösungen, sondern agiert bei den Verhandlungen über eine Reform des EU-Asylsystems isoliert und bremst lösungsorientierte Vorschläge anderer Länder aus. Zudem entzieht sich die Bundesinnenministerin auch hierzulande ihrer Verantwortung und verhindert weiterhin Grenzkontrollen in den derzeit besonders belasteten Grenzgebieten Brandenburgs und Sachsens. Die mehrfachen Hilferufe aus den Bundesländern und den Kommunen bleiben unbeachtet. Bis eine wirksame Lösung auf EU-Ebene umgesetzt ist, fordern die Innenministerinnen und Innenminister der Union die Bundesinnenministerin dazu auf, an den besonders belasteten Grenzgebieten Brandenburgs und Sachsens endlich die Bundespolizei mit Grenzkontrollen zu beauftragen und so die grenznahen Kontrollen der Länderpolizeien zu unterstützen. Die klare Botschaft muss lauten: Wir sagen Schleuserkriminalität den Kampf an und begrenzen die illegale Migration nach Europa und Deutschland. Nur durch Begrenzung der illegalen Migration kann den Kommunen etwas Druck bei der täglichen Unterbringung von neuen Ankommenden genommen werden“, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth.
Entwicklung der Zugangszahlen
Die Zahl unerlaubter Einreisen nach Deutschland steigt weiter an. Allein im Juli dieses Jahres registrierte die Bundespolizei 10.714 unerlaubt eingereiste Menschen (im Juli 2022 wurden 6.941 festgestellt). Im Gesamtjahr 2022 reisten 91.986 Menschen unerlaubt nach Deutschland ein. Innerhalb der ersten sieben Monate dieses Jahres waren es bereits 56.052 (im gleichen Zeitraum des Vorjahres 36.115). Über die deutsch-polnische Grenze sind zwischen Januar und Ende Juli insgesamt 14.303 Personen illegal eingereist, das entspricht einer Steigerung um rund 144 Prozent gegenüber den gleichen Monaten im Jahr 2022. Die Anzahl der unerlaubten Reisen über die deutsch-tschechische Grenze hat sich in diesem Zeitraum um knapp 50 Prozent von 4.782 auf 7.102 erhöht. Die Zahl der illegalen Einreisen in die EU ist der EU-Grenzschutzbehörde Frontex zufolge mit 42.700 im Juli so hoch gewesen wie zuletzt im März 2016. Demnach passierten im ersten Halbjahr dieses Jahres insgesamt etwa 176.000 Menschen unerlaubt die EU-Grenze – 13 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. In Hessen steigen die Zahlen seit dem Frühjahr ebenso: Im Juli 2023 wurden mit 1.959 Personen 204 Zugänge mehr verzeichnet, als im Vormonat. Damit ist der Zugang nach Hessen im Juli 2023 im Vergleich zum Juli 2022 um rund 160 Prozent gestiegen.
„Es mangelt bereits jetzt in vielen Kommunen an Wohnraum, Kinderbetreuung und Kapazitäten in Behörden und Schulen. Die Kommunen sind häufig am Anschlag. So kann es nicht weitergehen. Die Bundesregierung, die einzig und alleine wirksame Maßnahmen zur Steuerung und Begrenzung der Migration ergreifen kann, bleibt leider weiter untätig. Sie lässt die Kommunen vor Ort mit der Mammutaufgabe der Unterbringung von Flüchtlingen alleine. Die Bundesregierung muss die illegale Migration in unser Land eindämmen. Das aktuelle Zugangsgeschehen und die Entwicklung in den Ländern und Kommunen macht dies dringend erforderlich. Alles andere ist fahrlässig und gefährdet das Sozialgefüge in den Städten und Gemeinden. Stattdessen überlässt die Bundesregierung den Landkreisen und Kommunen die Arbeit, ohne klare Finanzierungszusagen“, sagte Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistags.
B-IMK fordert Ordnung und Begrenzung
Die Innenministerinnen und -minister der Union plädieren für mehr Ordnung und Begrenzung der Migration. Diesbezüglich haben sie in ihren Beratungen in Bad Homburg Defizite benannt, Prioritäten definiert und klare Forderungen an die Bundesregierung adressiert.
- Anstatt weitere Anreize für Migration zu setzen, rufen die zuständigen Unionsministerinnen und Unionsminister die Bundesregierung dazu auf, Migration zu steuern und zu begrenzen, um das Zuzugsgeschehen zu verringern. Dies kann aufgrund seiner Zuständigkeiten nur der Bund. Er wir dazu aufgefordert, entsprechend seine Möglichkeiten im Bereich der Zusammenarbeit auf EU-Ebene und mit Drittstaaten sowie durch die Rechtsetzungskompetenz in relevanten Bereichen der Innen- und Migrationspolitik, auszuschöpfen.
- Ankündigungen der Bundesregierung, statt stationären Grenzkontrollen auf eine Intensivierung der sonstigen Grenzschutzmaßnahmen hinzuwirken, haben erkennbar keinen Erfolg gezeigt. Insbesondere an den Grenzen zu Polen und Tschechien, aber auch zur Schweiz sind die Zahlen weiter erheblich angestiegen. Die B-IMK lehnt heruntergelassene Schlagbäume grundsätzlich ab, es müssen aber endlich wirksame Maßnahmen der Bundespolizei zum effektiven Schutz der Grenzen, auch durch stationäre Grenzkontrollen, ergriffen werden. Hierzu bedarf es eines entsprechenden Notifizierungsverfahrens bei der Europäischen Kommission.
- Für eine klarere Koordinierung des Zugangsgeschehens wird die Einrichtung einer aus Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen bestehenden Migrationskommission gefordert. So soll sichergestellt werden, dass die Herausforderungen der Migration von allen betreffenden Ebenen frühzeitig und gemeinsam strategisch angegangen werden können.
- Bei der Unterbringung von Flüchtlingen soll sich der Bund mit der Bereitstellung von mehr tatsächlich nutzbaren Bundesimmobilien und weiteren Unterstützungsmaßnahmen, wie der kompletten Übernahme der Wohnkosten für anerkannte Flüchtlinge, mehr einbringen. Da einzig der Bund auf europäischer und internationaler Ebene effektive Steuerungsmaßnahmen ergreifen kann, erwächst hieraus auch seine Verantwortung zur finanziellen Unterstützung der Länder. Die angekündigten Mittel des Bundes von insgesamt 3,75 Milliarden Euro für das Jahr 2023 werden nicht ausreichen. Demgegenüber stehen im Flüchtlingsbereich Länderausgaben in Höhe von rund 16 Milliarden Euro. Entsprechend muss der Bund seinen Zusagen im Rahmen der Verhandlungen über die Rückkehr zum alten 4-Säulen-System nachkommen (Pauschale pro Geflüchteten, Pauschale für flüchtlingsbezogene Zwecke, Kostenübernahme für sogenannte unbegleitete minderjährige Ausländer - UmA, Unterbringungskosten nach der Erstaufnahme). Dies ist unerlässlich, damit die Länder und Kommunen für das kommende Jahr finanzielle Planbarkeit haben.
- Die B-IMK übt Kritik an der Bundesregierung für ihr Agieren bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), bei der Berlin zunehmend isoliert und bislang bremsend agierte. Eine Reform des GEAS und auch des Schengenrechts ist dringend erforderlich. In diesem Zusammenhang fordert die B-IMK die Umsetzung des Dublin-Systems von allen Mitgliedstaaten. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Grenzverfahren wird von der B-IMK als wichtiger Bestandteil eines funktionierenden GEAS erachtet. An dem hierzu nun gefundenen Rats-Kompromiss des Innenminister-Rates dürfen bei den Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament keine Abstriche mehr gemacht werden.
- Die Bundesregierung soll außerdem eine klare Trennung zwischen Zuwanderung zur Arbeitsaufnahme und Asylmigration vornehmen, welche u. a. die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vermissen lässt.
- Die Bundesregierung wird aufgefordert, die rechtlichen Möglichkeiten der Einreiseverweigerung nach § 18 Asylgesetz intensiv zu prüfen und diese gerade vor dem Hintergrund des wenig funktionsfähigen Dublin-Verfahrens zu bewerten. Der Bundespolizei muss es möglich sein Asylbegehrende, die aus einem EU-Mitgliedstaat einreisen, zurückzuweisen.
- Die B-IMK fordert die Bundesregierung auf, Einrichtung von Bundesausreisezentren für vollziehbar Ausreisepflichtige unmittelbar an den deutschen Großflughäfen zu prüfen, die von der Bundespolizei betrieben werden. Damit könnte eine Verteilung von Geflüchteten – insbesondere solcher ohne Bleibeperspektive – vermieden werden; die Abstimmungsprozesse zwischen Ausländerbehörden, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Bundespolizei werden verkürzt und die Erfolgsaussichten einer zeitnahen Rückführung erhöhen sich. Zugleich wäre es erstmals eine sachgerechte Beteiligung des Bundes an der Unterbringung von Ausreisepflichtigen.
Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen, Umsetzung der Rückführungsoffensive
- Der Bund soll nicht nur Migrationsabkommen bzw. Rückführungsabkommen abschließen und durchsetzen, sondern auch eine pflichtgemäße Kooperation der Herkunftsländer oder von EU-Mitgliedstaaten in Rückführungsangelegenheiten bewirken. Der Bund wird angehalten, gegenüber unzureichend kooperierenden Herkunftsländern konsequenter vorzugehen und auch auf EU-Ebene die Rahmenbedingungen für Rückführungen weiter abzustecken und zu verbessern. Dazu soll die Bundesregierung gegenüber Herkunftsländern auch restriktiver agieren, z. B. den Visahebel nutzen und Druck auf Drittstaaten entfalten, um vor allem Straftäter und Gefährder rückführen zu können. Darüber hinaus wird von den Ländern mehr Unterstützung des Bundes in Problembereichen wie der Passersatzbeschaffung und ein besseres Schnittstellenmanagement (z. B. stärkere Zentralisierung im Dublin-Vollzug) erwartet.
- Wie von der Innenministerkonferenz im Juni 2023 beschlossen, soll der Katalog der sicheren Herkunftsstaaten, insbesondere um Moldau, Georgien, Armenien, Algerien, Marokko, Tunesien und Indien erweitert werden. Die vom Bund vorgeschlagene Bestimmung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten reicht nicht aus. Grundsätzlich sollten alle Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als zehn Prozent als sicher eingestuft werden.
- Die Unionsministerinnen und -minister fordern ebenfalls endlich eine Umsetzung der im Koalitionsvertrag der die Bundesregierung stellenden Parteien angekündigten „Rückführungsoffensive“. Die Unterstützung der Länder bei Abschiebungen ist bislang ausgeblieben. Die bestehenden Abschiebehindernisse zeigen, dass es in diesem Bereich weiterhin keine praxisrelevanten Fortschritte und Verbesserungen gibt. Die Rückführung illegal aufhältiger Personen, insbesondere von Straftätern und Gefährdern, ermöglicht es Ländern, Kommunen und Ehrenamtlichen, sich auf die Unterstützung all jener zu fokussieren, die sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten.