„Unsere Demokratie lebt von politisch engagierten Menschen und vom respektvollen Umgang miteinander. Die vergangenen Wochen und Monate haben aber leider erschreckend gezeigt, dass Politikerinnen und Politiker zunehmend als Feindbild wahrgenommen werden. Sie werden attackiert, beleidigt und sogar tätlich angegriffen. Dabei sind vor allem Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker betroffen. Doch zeichnet sich in diesem Jahr eine neue Dimension ab. Zu Beginn des Jahres wurde Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von einem wütenden Mob abgehalten, eine Fähre zu verlassen. In den Tagen darauf wurden mehrere Politikerinnen und Politiker auf Wahlkampfveranstaltungen attackiert. Den traurigen Höhepunkt gab es kürzlich, als der SPD-Politiker Matthias Ecke beim Aufhängen von Plakaten brutal angegriffen wurde und sogar daraufhin im Krankenhaus medizinisch versorgt werden musste. Auch SPD-Politikerin Franziska Giffey wurde Opfer einer Attacke und musste ärztlich behandelt werden. Diese Taten richten sich gegen unsere demokratischen Grundwerte und sind aufs Schärfste zu verurteilen. Sie sind ein bedrohliches Warnsignal.
Auch in Hessen ist eine negative Entwicklung erkennbar. Im vergangenen Jahr ist es zu 319 Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern gekommen. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 72 Prozent. Auch in diesem Jahr wurden bereits Politikerinnen und Politiker in Hessen attackiert. Die Zahl bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich.
Die hessischen Sicherheitsbehörden analysieren die aktuellen Entwicklungen sehr genau und passen Maßnahmen je nach Gefährdungslage individuell an. Dabei nimmt die Polizei jeden Gefährdungsfall bei Amts- und Mandatsträgern ernst. Sie sucht in der Regel das persönliche Gespräch zur Sensibilisierung und nimmt bei Bedarf konkrete Schutzmaßnahmen vor. Klar ist aber auch, dass die Polizei nicht jeden politisch engagierten Menschen oder jeden Wahlkampfstand unmittelbar schützen kann.
Gerade vor dem Hintergrund, dass wir in einer Woche den 75. Geburtstag unserer Verfassung feiern, ist die Entwicklung zutiefst besorgniserregend. Unsere Verfassung ist auf Diskurs, auch auf Dissens, aber keinesfalls auf Gewalt angelegt. Es kann nicht sein, dass politisch engagierte Menschen fürchten müssen, bedroht oder sogar angegriffen zu werden. Deshalb müssen wir diejenigen wirksam schützen, die unsere demokratischen Werte verteidigen.
Wir brauchen eine Trendumkehr in der politischen Debattenkultur. Die extremen Kräfte haben zur Verrohung der Sprache und zum aggressiven Klima in unserer Gesellschaft beigetragen. Wer Hass sät, erntet Gewalt. Die AfD hat oft genug gezeigt, dass ihre Ansichten und Formulierungen im Widerspruch zu unseren Grundwerten stehen. Gerade die AfD steht für fortwährende Entgleisungen in der politischen Auseinandersetzung.“
Der Minister führte weiter zu den Ergebnissen der Sonder-IMK aus:
„Die Landesinnenministerinnen und die Landesinnenminister haben sich vergangenen Woche gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser über die Angriffe auf politisch engagierte Menschen ausgetauscht und konkrete Ergebnisse beschlossen. Wir haben uns darüber verständigt, eine Verschärfung des Strafrechts im Hinblick auf die neue Lage kurzfristig zu prüfen. Der Schutz unserer Demokratie hat überragende Bedeutung. Ich halte es daher für konsequent, Angriffe, die sich auch gegen unsere demokratischen Grundwerte richten, schärfer zu ahnden und die den Taten zugrundeliegende verwerfliche Gesinnung in das Strafmaß einzubeziehen. Dabei geht es nicht darum, Politikern einen Sonderschutz durch das Strafrecht zu gewähren. Es geht vielmehr darum, die Abläufe in der Demokratie unter einen besonderen strafrechtlichen Schutz zu stellen.
Die Innenminister waren sich auch alle einig, die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Zulässigkeit der anlasslosen Speicherung von IP-Adressen aufzugreifen und diese auch zur Bekämpfung von politisch motivierten Gewalttaten und insbesondere auch zur Bekämpfung von Hass und Hetze einzusetzen.
Die gefassten Beschlüsse machen deutlich, dass wir den bedrohlichen Entwicklungen nur mit einem Bündel an präventiven und repressiven Maßnahmen entgegenwirken können. Dabei ist eine starke Polizeipräsenz wichtig und sie kann im Notfall helfen, Angriffe zu verhindern. Genauso sind Härte und Schnelligkeit des Rechtsstaats bei Übergriffen notwendig.“