Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Hessen macht Geldautomatensprengungen zum Thema der nächsten Justiz- und Innenministerkonferenzen

Justizminister Roman Poseck und Innenminister Peter Beuth plädieren für eine Anhebung der Mindeststrafe.

„Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, dem zunehmenden und hochgefährlichen Phänomen der Geldautomatensprengung zu begegnen. Hessen setzt gleichermaßen auf Maßnahmen der Prävention und der Repression. Bei der nächsten Justizministerkonferenz im Mai und Innenministerkonferenz im Juni plädieren wir für eine Neuregelung der Strafbarkeit von Geldautomatensprengungen, mit der auch ein erhöhter Mindeststrafrahmen eingeführt werden soll. Bisher erfüllen Geldautomatensprengungen regelmäßig nur Straftatbestände mit einer Mindeststrafe von einem Jahr. Dies ist aus unserer Sicht mit Blick auf die Gefährlichkeit der Taten, die von immer skrupelloseren Tätern begangen werden, nicht mehr angemessen. Ein Wertungswiderspruch zeigt sich im Vergleich zum klassischen Bankraub mit Waffen. Hier droht den Tätern regelmäßig eine Mindeststrafe von fünf Jahren. Geldautomatensprengungen sind an die Stelle des klassischen Bankraubes getreten und stehen diesem in Gefährlichkeit und psychischer Belastung der Opfer in nichts nach. Diese Taten sollten darum auch entsprechend bestraft werden. Wir appellieren daher an Bundesjustizminister Marco Buschmann und an Bundesinnenministerin Nancy Faeser, das Strafmaß zu erhöhen“, führten Justizminister Roman Poseck und Innenminister Peter Beuth gemeinsam aus.

„Der Kampf gegen Geldautomatensprenger muss endlich auch bundesweit forciert werden. Bislang waren es in erster Linie die Länder, die Fahndungskooperationen, Kontrollstellen und präventive Initiativen ins Leben gerufen haben. Die Bundesinnenministerin hat bislang dem Treiben der quer durch Deutschland reisenden Täter und den Bemühungen der Länder nur zugesehen. Um den international und enorm skrupellos agierenden organisierten Kriminellen habhaft zu werden, braucht es dringend bundesweite Maßnahmen. Dabei muss an jeder Stellschraube gedreht werden. Das Strafrecht ist ein wichtiger Barometer unseres Rechtstaats. Den rabiaten Tätern müssen Strafen drohen, welche die folgenschweren und brutalen Tatbegehungen ausreichend würdigen. Es ist nun an der Bundesregierung, sich ernsthaft diesem Kriminalitätsfeld anzunehmen und konstruktiv daran mitzuwirken, dass Explosionen in Bankfilialen ein Ende finden. Dafür werde ich mich auch bei der Innenministerkonferenz einsetzen“, so der Hessische Innenminister Peter Beuth.

Der Hessische Minister der Justiz Roman Poseck erklärte weiter: „Geldautomatensprengungen treffen unsere Bürgerinnen und Bürger dort, wo sie sich am sichersten fühlen, nämlich in ihrer Nachbarschaft, mitten in den Gemeinden. Dort hinterlassen sie nicht nur Sachschäden in großem Ausmaß, sondern gleichzeitig Angst und Verunsicherung. Um noch Schlimmeres zu verhindern, muss etwas geschehen. Das Strafgesetzbuch kennt bisher lediglich den klassischen Diebstahl und Sprengstoffdelikte als einzelne Straftatbestände. Einen Straftatbestand, der die Kombination beider Delikte unter Strafe stellt und die besondere Gefährlichkeit von Geldautomatensprengungen angemessen sanktioniert, gibt es jedoch nicht. Dabei zeigt die Entwicklung, dass die Täterinnen und Täter immer aggressiver und rücksichtsloser vorgehen und dabei nicht vor dem Einsatz von Festsprengstoffen aus dem Militärbereich zurückschrecken. Diese besorgniserregenden Befunde geben Anlass, auf allen Ebenen Maßnahmen zur Abschreckung der Täterinnen und Täter zu ergreifen. Geldautomatensprengungen in Deutschland dürfen sich nicht lohnen, sodass die den Täterinnen und Tätern drohenden Strafen in den Blick genommen und die bestehenden Wertungswidersprüche behoben werden müssen. In unserer Jumiko-Initiative fordern wir daher den Bundesjustizminister auf, Änderungen im Strafgesetz zu prüfen und einen Gesetzesentwurf vorzulegen.“

Hintergrund

In den Jahren 2017 bis 2021 kam es im Bundesgebiet zu 1.792 Geldautomatensprengungen, wobei der Anteil der Taten, bei denen die Täter hochgefährlichen Festsprengstoff verwendeten, von 5 % im Jahr 2019 auf 64 % im Jahr 2021 angestiegen ist. Dies entspricht allein in diesen drei Jahren 379 Festsprengstoffanschlägen auf Geldautomaten. Für das Jahr 2022 ist bundesweit von rund 500 Taten auszugehen. Der Auftakt des Jahres 2023 lässt erwarten, dass die Zahl der Geldautomatensprengungen weiter ansteigt. Begangen werden die Taten ganz überwiegend von Tätern der international organisierten Kriminalität. Diese schrecken nicht davor zurück, für den bloßen Zweck, Bargeld zu erlangen, Leib und Leben Unbeteiligter zu gefährden und zivile Einrichtungen zu zerstören.

Mit der Verwendung von Sprengstoffen kommt es durch die Geldautomatensprengungen regelmäßig auch zu Sachschäden in einem außergewöhnlich hohen Ausmaß. In Hessen allein betrugen diese im Jahr 2022 6,11 Mio. Euro. Hinzu kamen Vermögensschäden in Höhe von 2,32 Mio. Euro aufgrund des erbeuteten Geldes. Für das Jahr 2023 betragen bereits Mitte des Monats März die Sachschäden in Hessen 2,5 Mio. Euro. Hinzu kommen Vermögensschäden in Höhe von 1,55 Mio. Euro. Dies unterstreicht den Befund, dass die Relation aus Mittel und Zweck in keinem hinzunehmenden Verhältnis steht, da die Sachschäden den Tätern erst sekundär Taterlöse erbringen. Diese missbilligungswürdige Zweck-Mittel-Relation bei den Geldautomatensprengungen wird durch die aktuelle Gesetzeslage nicht angemessen abgebildet.

Hessen hat Ermittlungsdruck erhöht und Präventionsangebote geschaffen

Um dem Phänomen aus polizeilicher Sicht adäquat zu begegnen, wurde in Hessen bereits 2019 eine eigens zur Bekämpfung von Geldautomatensprengungen eingerichtete Ermittlungsgruppe eingerichtet. Nach dem weiteren Anstieg von Sprengungen in Hessen, wurden die Bemühungen durch die Gründung einer sog. „Besonderen Aufbauorganisation (BAO effectus)“ im HLKA mit sieben Regionalabschnitten in den hessischen Polizeipräsidien nochmals deutlich intensiviert. Darüber hinaus werden in Hessen Ermittlungsverfahren wegen Geldautomatensprengungen zentral bei der Generalstaatsanwaltschaft (GStA) Frankfurt am Main bearbeitet.

Durch intensive Ermittlungen ist es seither dem HLKA und den Polizeipräsidien gelungen, insgesamt mehr als 50 Tatverdächtige zu ermitteln. Über 20 Personen konnten bislang rechtskräftig verurteilt werden. Das vom HLKA entwickelte Analysetool „GLB-operativ“ hat sich in der Praxis bewährt. Hiermit können Geldautomaten und Standorte bewertet und eine Wahrscheinlichkeitsprognose zu einer möglichen Sprengung abgegeben werden.

Im Mai 2022 wurde zudem die bundesweit einmalige Präventionsinitiative „ALLIANZ GELDAUTOMATEN“ durch das Hessische Innenministerium gemeinsam mit der Bankenwirtschaft gegründet. Die Mitglieder der Allianz bauen präventive Elemente an erkannten Risiko-Standorten priorisiert aus.

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