Die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Hessische Staatskanzlei

Fritz Bauer erhält Wilhelm-Leuschner-Medaille

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein wird den Ankläger des Frankfurter Ausschwitz-Prozesses Fritz Bauer posthum mit der höchsten Auszeichnung des Landes Hessen, der Wilhelm-Leuschner-Medaille, ehren. Die in Schweden lebende Großnichte Bauers, Marit Tiefenthal wird die Medaille am 1. Dezember, am Hessischen Verfassungstag, stellvertretend entgegennehmen.

Der frühere hessische Generalstaatsanwalt Bauer setzte sich in der Nachkriegszeit maßgeblich dafür ein, die Verbrechen im Nationalsozialismus zu verfolgen. Als Ankläger sorgte er dafür, dass die Frankfurter Auschwitz-Prozesse geführt wurden. „Fritz Bauer ist eine der Schlüsselfiguren der jungen deutschen Demokratie. Mit seinem Wirken, seiner Beharrlichkeit und seiner Ausdauer ebnete er den Weg Deutschlands zum politischen Neubeginn nach den Grauen des Zweiten Weltkriegs. Bauer setzte sich Zeit seines Lebens dafür ein, die Ideologie des NS-Regimes zu enttarnen“, sagte Ministerpräsident Rhein.

Er stritt unermüdlich dafür, das nationalsozialistische Unrecht juristisch zu ahnden. Sein Ziel war dabei nie die Vergeltung – ihm ging es darum, die schrecklichen Verbrechen sichtbar zu machen und aufzuarbeiten.

Boris Rhein Ministerpräsident

Leben und Wirken

Fritz Bauer wurde am 16. Juli 1903 als Kind einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie in Stuttgart geboren. Er studierte Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft in München und Tübingen und promovierte 1927 in Heidelberg. Von 1930 an war er am Stuttgarter Amtsgericht der jüngste Hilfsrichter in Deutschland. Im Jahr 1933 musste er sein Amt als Richter niederlegen und wurde für einige Monate im Konzentrationslager Heuberg inhaftiert. Fritz Bauer emigrierte 1936 nach Dänemark, wo er nach der deutschen Besatzung verhaftet wurde, aber dank der Intervention dänischer Freunde wieder freikam. Im Oktober 1943, als die Deportation der dänischen Juden begann, gelang ihm mit seiner Familie die Flucht nach Schweden.

Nach der Befreiung kehrte Bauer 1945 nach Dänemark zurück und lebte in Kopenhagen. Mit Unterstützung des SPD-Politikers Kurt Schumachers kam er 1949 in die Bundesrepublik Deutschland zurück und wurde ein Jahr später zum Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht in Braunschweig ernannt. Der damals amtierende hessische Ministerpräsident Georg-August Zinn berief ihn 1956 in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts und holte ihn nach Frankfurt. In dieser Position war Bauer verantwortlich für das Zustandekommen des Auschwitz-Prozesses, der von Dezember 1963 bis August 1965 stattfand. Im Jahr 1968 starb Bauer.

Herausragender Beitrag zur Aufarbeitung

„Durch den Auschwitz-Prozess fand erstmals eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Deutschland statt. Das Land wurde mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit und den Verbrechen des Regimes konfrontiert. Fritz Bauer hat als Ankläger des größten Strafprozesses der deutschen Nachkriegsgeschichte Herausragendes für die Aufarbeitung der Vergangenheit und für die heutige deutsche Erinnerungskultur geleistet“, sagte der Ministerpräsident.

Als unbequemer Mahner, der seinen Finger unermüdlich in die Wunde der deutschen Vergangenheit legte, sei Bauer aber auch Zeit seines Lebens ein Außenseiter gewesen, äußerte Rhein und fügte hinzu: „Der Respekt und die Anerkennung, die er für sein Wirken verdient hätte, blieben ihm lange Zeit verwehrt. Umso wichtiger und bedeutender ist es, die Leistung Bauers heute in Ehre zu halten. Die Wilhelm-Leuschner-Medaille wird an Personen verliehen, die sich hervorragende Verdienste um die demokratische Gesellschaft erworben haben. Wilhelm Leuschner selbst war einer der wichtigsten hessischen Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime. Mit der Verleihung dieser Auszeichnung an Fritz Bauer, der sich sein Leben lang dafür eingesetzt hat, dass die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen niemals vergessen werden, schließt sich nun ein Kreis.“

Hintergrund

Die Wilhelm-Leuschner-Medaille ist die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Der ehemalige Ministerpräsident Georg-August Zinn stiftete sie am 29. September 1964, dem 20. Todestag Leuschners. Sie wird traditionell am Hessischen Verfassungstag, am 1. Dezember, vergeben. Die Auszeichnung wird an Menschen verliehen, die sich vorbildlich für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit einsetzen oder eingesetzt haben. Unter den bisherigen Preisträgern befinden sich die frühere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Philosoph Professor Jürgen Habermas oder der verstorbene ehemalige Regierungspräsident von Kassel, Dr. Walter Lübcke, der die Würdigung erstmals posthum erhielt. Die Verleihung findet in diesem Jahr auf dem Campus Westend der Universität Frankfurt statt.