Im Juni 2020 hat der Hessische Innenminister Peter Beuth den ehemaligen Präsidenten der Bereitschaftspolizei, Harald Schneider, zum Integritätsbeauftragten der hessischen Polizei ernannt. Angesichts unerlaubter polizeilicher Datenabfragen im zeitlichen Zusammenhang mit NSU-2.0 Drohschreiben und Verdachtsfällen polizeilichen Fehlverhaltens präsentierten der Innenminister und Landespolizeipräsident Roland Ullmann zudem Mitte Juli 2020 einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. Wichtige Ziele waren die Bündelung aller verfügbaren Ressourcen zur Ergreifung des damals unbekannten Täters sowie eine rasche Erhöhung des Sicherheitsniveaus polizeilicher Auskunftssysteme. Gemeinsam haben Peter Beuth, Landespolizeipräsident Roland Ullmann und Integritätsbeauftragter Harald Schneider heute eine erste Bilanz zur Arbeit des Integritätsbeauftragten und weiteren umgesetzten oder angestoßenen Maßnahmen gezogen.
Der Hessische Innenminister Peter Beuth erklärte: „Dank der herausragenden Ermittlungsarbeit des Teams um den polizeilichen Sonderermittler Hanspeter Mener konnte die NSU-2.0-Serie gestoppt werden. Die Datensicherheit bei der hessischen Polizei hat jetzt hohe Priorität in allen Dienststellen und wird engmaschig überprüft. Weil Polizeidaten immer auch Bürgerdaten sind, werden mögliche unerlaubte Abfragen mit großer Konsequenz verfolgt und auch sanktioniert. Den Kolleginnen und Kollegen stehen heute darüber hinaus viel mehr Aus-, Fortbildungs- und Präventionsangebote zur Verfügung, die für mehr Handlungssicherheit sorgen. Dass kostbare Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Polizei schützen wir am besten mit guter Polizeiarbeit und einer ehrlichen, selbstbewussten Fehlerkultur. Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen, es gibt aber noch viel zu tun.“
Angesichts laufender Ermittlungen gegen Angehörige des Spezialeinsatzkommandos Frankfurt sei das Vertrauen in die Polizei erneut auf eine harte Bewährungsprobe gestellt worden. „Fehlverhalten gegenüber den Bürgern oder den eigenen Kollegen darf nicht stillschweigend hingenommen oder sogar toleriert werden. Wenn Polizisten Straftaten begehen, müssen auch sie sich dem Rechtsstaat stellen. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss dafür geradestehen. Eine mangelhafte Fehlerkultur untergräbt die Glaubwürdigkeit der Polizei bei der Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben und führt zu einer Erosion des Vertrauens der Bevölkerung in den Staat und seine Institutionen. Weil aber auch kein Beruf so konfliktträchtig ist, wie der unserer Polizistinnen und Polizisten haben sie auch das Recht auf eine unvoreingenommene Aufklärung, wie jeder andere Mensch auch. Angesichts des hohen Aufgabenprofils fordere ich keine makellose Polizei, denn das ist eine weltfremde Utopie, vor der wir die Kolleginnen und Kollegen ebenfalls schützen müssen. Ich erwarte aber ausnahmslos von allen, dass Fehlverhalten immer klar benannt und dann auch gehandelt wird, so der Innenminister.“
Integritätsbeauftragter zieht erste Arbeitsbilanz
Trotz Corona-Pandemie konnte der Integritätsbeauftragte der hessischen Polizei, Harald Scheider, seit seiner Beauftragung mehr als 500 Polizistinnen und Polizisten im Rahmen von Gruppen- und Einzelgesprächen sowie Fortbildungsmaßnahmen oder Einzelgesprächen erreichen. Der 64-jährige pensionierte Polizist besuchte in dieser Zeit alle Polizeipräsidien und mehr als ein Dutzend Dienststellen vor Ort, um mit den Ordnungshütern ins Gespräch zu kommen. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Betreuung von Beamtinnen und Beamten, die selbst Beschuldigte in Straf- oder Disziplinarverfahren sind oder waren. „Kein beschuldigter Polizist ist verpflichtet, mit mir zu sprechen. Bis heute hat jedoch der weit überwiegende Teil der Beamten, denen über ihre Dienststelle ein Gesprächsangebot unterbreitet wurde, dieses angenommen. Jeder einzelne Fall, der von den Strafverfolgungs- und Disziplinarbehörden individuell bewertet werden muss, erfordert auch von mir eine jeweils gesonderte Betrachtung. Für mich ist dabei entscheidend, dass unabhängig vom Ausgang der Verfahren, - die sich zum Teil über sehr lange Zeiträume ziehen – den Betroffenen klar und deutlich wird, dass die Inhalte aus den Vorwurfslagen in aller Regel aus moralischer und ethischer Sicht nicht zu dem Bild einer Polizistin oder eines Polizisten passen und diesbezüglich eine andere Erwartungshaltung besteht. Wenn Polizisten unter Verdacht stehen, leidet die Integrität der Gesamtorganisation. Eine funktionale und faire Fehlerkultur ist zugleich auch der beste Schutz vor ungerechtfertigten Vorwürfen gegen die Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund des Jobs aber unvermeidlich sind“, erläuterte Harald Schneider.
Laut Landespolizeipräsident Roland Ullmann muss der Umgang mit Fehlern im Polizeialltag transparent und konstruktiv sein. Für den Erfolg der hessischen Polizei sei es ausschlaggebend, dass eine positive Fehlerkultur Teil der Organisationskultur werde: „Innerhalb der hessischen Polizei wurden bereits vor Jahren umfangreiche Maßnahmen angestoßen, um Fehlverhalten frühzeitig erkennen und ahnden zu können. Wir entwickeln jetzt eine grundlegend neue Fehlerkultur, eine ‚Kultur des Hinsehens‘. Für die eingeleiteten Schritte, die auf allen Hierarchieebenen, insbesondere aber auch auf den unteren und mittleren Vorgesetztenebenen sowie von jedem einzelnen Mitarbeiter der Polizei gelebt werden müssen, bedarf es Offenheit, Transparenz, Entschlossenheit und Kontinuität. Wir wissen, dass dieser neue Geist nicht bei jedem Mitarbeiter von heute auf morgen Einzug halten wird. Das braucht Zeit. Alle Führungskräfte sind in ihrer Vorbildrolle gefordert, alle Führungsebenen tragen Verantwortung und müssen eine entsprechende Führungs- und Fehlerkultur leben. Wir fordern aber von jedem, dass sie bereits heute eine klare Haltung zeigen, hinsehen und bei Fehlverhalten entschlossen einschreiten. Dabei hat gerade die untere Führungsebene eine besondere Rolle, da sie unmittelbar im täglichen Kontakt mit ihren Kolleginnen und Kollegen ist. Nur so können wir verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen.“
Der Landespolizeipräsident stellte ausführlich dar, welche Schritte auf dem eingeschlagenen Weg bereits umgesetzt wurden.