Athlet mit beispielloser Erfolgsserie

Sind Autorennen noch Sport oder schon Show, also reine Fernsehunterhaltung? fragte der Publizist Robert C. Nissler 1996 in der Geschichte des Sports. Und er gab sich selbst die Antwort: „Eine Show schon, allerdings mit dem höchsten Kick, den das Genre zu bieten hat: der permanenten Todesgefahr der Protagonisten.“ Die Dramaturgie folge der einer soap opera, mit bitteren Niederlagen und glanzvollen Siegen, mit Helden und Schurken. Und wenn einer der Helden die Bühne verlässt, steht schon ein junger, strahlender Nachfolger bereit, der ins Rampenlicht drängt.

Mit 14 Jahren gewann Vettel die Juniorenkartmeisterschaften

Einer dieser Jungen war 2007 der noch 19-jährige Sebastian Vettel aus Heppenheim. So schnell wie er ist noch niemand vom knatternden Kart zu den Boliden der Formel 1 aufgestiegen. Am 3. Juli 1987 geboren, war der kleine Sebastian in den Rennsport hineingewachsen. Sein motorenbegeisterter Vater, der selbst Bergrennen fuhr, setzte seinen Sohn, als er gerade Laufen konnte, in den Kart und ließ ihn erste Runden drehen. Bereits mit 14 Jahren gewann Sebastian Vettel die deutschen und europäischen Juniorenkartmeisterschaften. So jemand fiel auf. Zunächst dem Motorsportdirektor von BMW, Mario Theissen. Er holte Vettel 2003 zur Formel BMW, die als eine Art Fahrerakademie galt. Auch hier setzte er sich bald mit Zahnspange und freundlichem Lächeln an die Spitze. 2004 gewann er 18 von 20 Rennen. Daneben machte er sein Abitur am Starkenburg-Gymnasium in Heppenheim.

Die nächste Station hieß Formel-3-Euroserie. Schon nach gut einem Jahr wurde ihm ein Vertrag als Testfahrer bei BMW Sauber angeboten. Damit war er in der Formel 1 angekommen. Zwar durfte er noch nicht an Wertungsrennen teilnehmen, aber beim Training seine Runden drehen. Schon bei seinem Debüt vor dem Großen Preis der Türkei erreichte er den ersten Platz beim Freitagstraining. Aber noch musste er warten, denn BMW Sauber hatte mit Nick Heidfeld und Robert Kubica zwei Stammfahrer. Als Kubica einen schweren Unfall hatte, schlug Vettels Stunde. Am 17. Juni 2007 fuhr er beim Großen Preis der USA in Indianapolis sein erstes Formel-1-Rennen und erreichte auf Anhieb den achten Platz und damit einen WM-Punkt. Da er bei BMW Sauber zu keinen weiteren Einsätzen kam, wechselte er noch im selben Jahr zum Team Toro Rosso. Die WM 2008 beendete er mit 35 Punkten auf dem achten Platz.

Ausnahmeathlet mit beispielloser Erfolgsserie

Mit der Saison 2009 ging er zu Red Bull Racing, dem Schwesterteam von Toro Rosso. Und damit begann eine beispiellose Erfolgsserie. Schon im ersten Jahr wurde er Vize-Weltmeister. In den drei darauffolgenden Jahren holte er jeweils den Weltmeistertitel. Das hatte in seinem Alter noch niemand geschafft. Vor allem das Finale der WM 2012 beim Großen Preis von Brasilien war an Spannung nicht zu überbieten. Vettel führte nur mit 13 Punkten Vorsprung vor dem Ferrari-Piloten Fernando Alonso, der Vettel mit allerhand Taschenspielertricks psychologisch beeinflussen wollte. Vettel ließ sich davon nicht beeindrucken. „Er ist ein ziemlich selbstständiger Typ, von der Denke her und der Lebensart“, schreiben Elmar Brümmer und Bodo Kräling in ihrem Buch über ihn. Es gebe Athleten und Ausnahmeathleten, sagt Vettel. Der Unterschied sei, was sich im Kopf abspiele. „Bei ihm ist es so: In der Kraft liegt die Ruhe. Er ruht in sich, und er kann auch problemlos zugeben, dass Rennenfahren ein einsamer Job sein kann“. Diese Ruhe zeigt sich besonders dann, wenn Vettel von hinten das Feld aufrollt und es im Rennen auf Messers Schneide steht.

Während Alonso seinen Konkurrenten Vettel vor dem letzten, entscheidenden Rennen mit allen Mitteln verunsichern will, bleibt Vettel ganz ruhig, dreht mit höchster Konzentration seine Runden und wird nur aggressiv, wenn er überholen will. Dann ist allerdings nicht mit ihm zu spaßen. Selbst Teamgefährten kann Vettel hart angehen. Am Ende wurde Vettel in Brasilien Sechster und Alonso Zweiter. Damit war Vettel zum dritten Mal Weltmeister geworden. Nur am Auto, seinem Red Bull, soll es gelegen haben, behaupteten seine Konkurrenten und Neider, aber Formel-1-Boss Bernie Ecclestone sah es im Interview mit der Welt am Sonntag differenzierter. Vettel sei sehr intelligent. „Er weiß genau, was im Fahrerlager und in seinem Team passiert, was sein Job ist. Ich vergleiche ihn ein bisschen mit dem großen Juan Manuel Fangio, der wusste auch immer, was gut war und wie er Rennen gewinnt.“ Auf diesen Vergleich kann Vettel stolz sein. Vettel wurde 2010 deutscher Sportler des Jahres und im selben Jahr sowie 2012 Europas Sportler des Jahres. Er ist Ehrenbürger von Heppenheim, lebt allerdings in der Schweiz.