Hessisches Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales

Zum Gedenken an die Opfer des NS-Regimes

Der Bundestag gedenkt am Holocaust-Gedenktag am Freitag, 27. Januar 2023, erstmals insbesondere der queeren Opfer des Nationalsozialismus.

„Verantwortliches politisches Handeln achtet die Würde der Menschen in ihrer ganzen Vielfalt. Das lehrt auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte. Im Rahmen dieses Gedenkens wurden im Deutschen Bundestag Angehörigen fast aller Opfergruppen des NS-Regimes Gehör geschenkt. Ungehört blieben bisher aber diejenigen, die von den Nationalsozialisten wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität verfolgt, inhaftiert und ermordet wurden. Dass das Gedenken morgen die queeren Opfer des Holocaust erstmals ausdrücklich öffentlich anerkennt, war überfällig“, sagt Sozial- und Integrationsminister Kai Klose, der an der Feierstunde in Berlin teilnimmt.

Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurden homosexuelle Lokale, Vereine und Zeitschriften verboten. 1935 wurde die Gesetzeslage so verschärft, dass alle sexuellen Handlungen zwischen Männern unter Strafe standen. Im Anschluss begann die Verfolgung Homosexueller. Allein für Frankfurt sind für das Jahr 1936 135 rechtskräftige Verurteilungen erfasst, zwischen August 1938 und August 1939 wurden mindestens 435 Männer zu Gefängnisstrafen verurteilt. Sie wurden in Gefängnissen und Strafgefangenenlagern interniert, bis zu sechstausend in Konzentrationslager verschleppt. Der Haft konnten sich homosexuelle Männer durch Kastration entziehen.

Aufklärung

Der Hessische Landtag hat am 12. September 2012 mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen, sich bei den Opfern der Verfolgung zu entschuldigen. Die Landesregierung wurde gebeten, eine Studie zur Aufarbeitung von Verfolgung und Repression lesbischer und schwuler Lebensweisen in Hessen auch nach Kriegsende zu erarbeiten. Deren Ergebnisse zeigen, dass sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auch in der jungen Bundesrepublik weiter unterdrückt wurde. Homosexuelle Handlungen von Männern blieben strafbar – und zwar unter der während des Nationalsozialismus verschärften und noch unveränderten Gesetzeslage. Weibliche Homosexualität wurde durch repressives Ehe- und Familienrecht sanktioniert.

Dass homosexuelle Männer auch über das Kriegsende hinaus Repressionen erfahren mussten, zeigt das Schicksal Wolfgang Lauingers: Der 1918 geborene und 2017 in Frankfurt verstorbene Lauinger wurde verfolgt, weil er zur Swing-Jugend gehörte, homosexuell und nach Definition der Nazis „Halbjude“ war. Er wurde verhaftet, konnte aber untertauchen. 1950 wurde er allerdings aufgrund seiner Homosexualität erneut zum Opfer der Strafverfolgung und für mehrere Monate in einem Untersuchungsgefängnis untergebracht – von einem Staatsanwalt, der bereits im Nationalsozialismus mit der Verfolgung Homosexueller betraut war und der sich weiterhin alter Gestapo-Akten bediente. Lauinger wurde 1951 freigesprochen.

Rehabilitationsgesetz

Als viele Jahre später die Debatte über eine mögliche Entschädigung der aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgten Menschen begann, engagierte sich Lauinger intensiv für ein Rehabilitationsgesetz. Das Gesetz wurde 2017 verabschiedet und trat am 22. Juli 2017 in Kraft. Doch Lauingers Freispruch im Jahr 1951 war für die Behörden der – formal korrekte – Grund, ihm eine späte Entschädigung zu verwehren. Bis Mitte 2022 hatten von den 2017 geschätzt noch lebenden 5.000 Betroffenen 249 eine Entschädigung erhalten. Von den dafür bereitgestellten 30 Millionen Euro wurden nur rund 860.000 Euro abgerufen.

„Die verantwortungsvolle Aufarbeitung der Repression lesbischer und schwuler Lebensweisen ist so wichtig, weil aus aufrichtiger Auseinandersetzung mit der Geschichte Lehren für die Zukunft erwachsen. Diskriminierung und Ausgrenzung wirkungsvoll entgegenzuwirken ist Teil unserer politischen Aufgabe auch aus Verantwortung vor der Geschichte“, sagt Sozialminister Klose. „Menschen sind in ihren Identitäten unterschiedlich – dazu zählen auch die sexuelle und geschlechtliche Identität. Aber alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren, wie es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen festhält und unsere Verfassung in Artikel 1 garantiert“, so der Minister weiter.

Förderung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt

Mit der Förderung der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt setze das Land das in konkretes Handeln um: „Der Hessische Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt ist in einem intensiven gemeinsamen Prozess von LSBT*IQ-Community und Landesregierung entstanden und wird genauso auch weiterentwickelt“, sagt Klose. Dazu sei ein Förderprogramm eingerichtet worden, das anfänglich 200.000 Euro pro Jahr umfasste, inzwischen aber auf ein Volumen von über 1,2 Millionen jährlich angewachsen sei. Auf diese Weise würden Maßnahmen zur Förderung der Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in ganz Hessen ermöglicht und umgesetzt.

„Akzeptanz braucht Mitstreiter*innen und Engagierte auf allen Ebenen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Handelns. So gelingen zielgruppengerechte Ansprache, Sensibilisierung für die Bedarfe von LSBT*IQ und Prävention von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt in einem Flächenland wie Hessen“, sagt Sozialminister Kai Klose.

Soziales

Hessisches Ministerium für Soziales und Integration

Alice Engel lächelt in die Kamera. Sie trägt eine goldene Kette und eine dunkelblaue Bluse. Im Hintergrund sind grüne Pflanzen zu sehen.

Alice Engel

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